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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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wurde er regelrecht zur Klette. »Ohne Sie hätte ich nie hierher gefunden«, flirtete er angeschlagen weiter.
    Ohne mich wäre Vater Zapf auch längst bei Neptun und nicht vom Winde verweht! Aber das schien ihn nicht wesentlich zu interessieren. Ich tupfte in seinem Gesicht herum. »Wie nahe standen sie sich?«
    Er räusperte sich. »Sie meinen, ich und mein Vater?«
    »Ja.«
    »Drei Wochenenden im Jahr, natürlich nur zu den wichtigsten Festlichkeiten und an jedem runden Geburtstag. Aber es war okay.«
    »Klingt nicht gerade innig.«
    »Und Sie? Wie oft sehen Sie Ihren Vater?«
    Ich spülte das Tuch aus und säuberte seine Wangen. »Ach, wissen Sie, Familie ist mir nicht so wichtig. Ich brauche so was nicht.«
    Verdutzt blickte er mich an. »Jeder braucht irgendwen.«
    »Ich nicht!«
    Er griff nach meiner Hand, die über sein Gesicht fuhr. »Was halten Sie davon, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen? Zum Beispiel bei einem netten Vier-Gänge-Menü in bester Gesellschaft?«
    Ich zog meine Hand zurück. »Nein, lieber nicht.« Und ich war froh, auf dem Flur die Stimme von Brömme zu vernehmen.
    »Herr Zapf? Ist alles in Ordnung?«, rief er von draußen. Offenbar hatte sich seine Steifheit in Sorge umgewandelt. Fragte sich nur, um wen.
    »Ja! Alles in bester Ordnung«, erwiderte Hendrik Zapf. Dann wand er sich zu mir. »Ich sehe keinen Ring an Ihrem Finger.«
    »Den brauche ich auch nicht, um ein Date nicht anzunehmen«, sagte ich etwas schnippisch, stand auf und öffnete die Tür.
    Er folgte mir, blieb jedoch im Türrahmen stehen. »Ich dachte, es ginge wieder, aber ich sehe nicht klar genug, um den Weg zurück aufs Deck zu finden.«
    Ah ja? Du mieser kleiner Lügenbaron! Gewiss war alles nur Getue von ihm. Ich beugte meinen Arm und hielt ihn ihm entgegen. »Dann muss ich Sie wohl führen.«
    Die anderen hatten mittlerweile einen Teil von Alfred Zapf wieder zusammengekehrt. Jedenfalls behaupteten sie das, als ich mit seinem Sohn eingehenkelt angeschlichen kam. Ich fühlte mich wie eine Altenpflegerin, die den aufsässigsten Lustmolch der gesamten Pflegestation zur Visite geleitete. Als Brömme uns sah, postierte er sich wieder neben dem Pfarrer, dessen Haar nach dem Urnenunfall etwas angegraut erschien. Er segnete erneut das Aschegefäß und übergab es Hendrik Zapf. Dieser griff danach. Obwohl, eigentlich war es eher das Abtasten eines Erblindeten. Das konnte sich doch kein Mensch länger angucken. Erst recht keine Frau wie ich. Hastig leitete ich seine Hände zur Urne.
    »Fühlen Sie die Kordel?«, fragte ich ungeduldig. Der Wind hatte zugenommen, und mich fröstelte. Wenn es nicht so verdammt pietätlos gewesen wäre, hätte ich diese Urne mitsamt dem aufgekehrten Möwendreck am liebsten über Bord geworfen. Aber Brömme hatte mich im Blick und zensierte jeden meiner Schritte.
    Hendrik Zapf nickte.
    Ich kniff meine Lippen zusammen und atmete tief durch. »Okay! Dann auf drei! Drei, zwei, eins …«
    Das Kordelband glitt langsam durch unsere Hände, hinunter ins Wasser, um kurz darauf von den Wellen des Meeres verschluckt zu werden. Einige Minuten der Stille folgten. Dann dröhnten die Trompeter ein Abschiedslied.
    Drinnen, im Aufenthaltsbereich des Schiffes, setzte die Familie ihre Trauerfeier fort. Diesmal auf kulinarische Art, was mir wesentlich besser gefiel. Ich war wieder die, die ich sein wollte, und das, was meine Ausbildung in Berlin finanzieren würde – Servicekraft auf einem Bestattungsboot. Entgegen meiner Erwartung widmete sich der blondbärtige Sohn des Verstorbenen einigen älteren Damen, die sich rührselig um ihn kümmerten. Eine von ihnen untersuchte sein linkes Auge, das immer noch tränte.
    Was für ein Weichei, dachte ich, während ich dem Koch beim Füllen der Schinkenröllchen zur Hand ging.
    »Nicht doch!«, knurrte er mich an. »Die Mayonnaise kommt nur dünn auf den äußeren Rand.«
    Ich befolgte seine Anweisung und erarbeitete mir ein kurzweiliges Lächeln. Der Schweiß lief an seinen Schläfen entlang den Hals hinunter und sammelte sich im Kragentuch. Ab und an wischte er ihn am Ärmel seines Kochhemdes ab.
    »Darf ich kosten?«, fragte ich beiläufig, auf die Dessertgläser zeigend.
    Er nickte. »Aber probier nicht von den fertigen Desserts. Nimm aus der Schale im Kühlschrank.«
    Ich hatte tatsächlich sein Vertrauen gewonnen! Das war einzigartig, wie ich wusste. Noch nie zuvor hatte er eine der Servicekräfte auch nur in die Nähe seiner Vorräte gelassen.Und nun bot er mir

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