Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
musikalischer Ummantelung stattfinden.«
»Ah ja? Und wie muss ich mir das vorstellen?«, fragte ich interessiert. Immerhin hatte ich auf der Friedhild bisher nur Priester, Trauerredner und Trompetensolos servicetechnisch unterstützt.
Antonio schmunzelte. »Wahrscheinlich wird wieder so ein Kirchenmusiker mit einer mobilen Orgel vor Ort sein. Stimmt’s, Ortrud?«
Sie setzte ihre Teetasse ab und lachte. »O je, hoffentlich nicht der kauzige Kantor.«
Hä? Das machte mich neugierig. »Von wem redet ihr?«
»Vergiss es«, winkte Ortrud ab. »Du solltest mal lieber aus deinem Schweinchenpyjama springen und dich fertigmachen.«Dabei tippte sie auf ihre Uhr am Handgelenk. Mist! Schon kurz vor neun, dachte ich und legte beim Frühstück einen Zahn zu.
Gestylt und gebügelt trat ich dem Mittwoch entgegen. Sogar meine Arbeitsschuhe glänzten. Brömme beauftragte mich, Getränkevorräte aufzufüllen, was ihm die Möglichkeit eröffnete, mir beim Bücken aufs Hinterteil zu starren. Seit ich dies bemerkt hatte, versuchte ich immer in die Knie zu gehen oder den Po abzudrehen. Aber einem Seemann wie Brömme entging nichts. Geschickt bot er seine Hilfe an und setzte meinen ausgetüftelten Brömme-Guck-Abwehrplan außer Kraft. Während ich noch mit dem Kopf in der Kühlung steckte, hörte ich, wie der große Boss Antonio ins Büro zitierte. Gewiss bekam er jetzt Ärger, weil er seine Zigarettenreste immer ins Wasser schnippte. Dutzende seiner Filter trieben so aufgequollen um das Bestattungsschiff herum. Da war es doch nur eine Frage der Zeit, wann Pfaffenhof ihn dafür abmahnen würde. Minuten später huschte Antonio fröhlich vor sich hin pfeifend mit frischer Tischwäsche an mir vorbei.
»Hey, pst …«, versuchte ich auf mich aufmerksam zu machen. Aber er war völlig auf seine Arbeit konzentriert und hörte mich nicht. Seltsam, dachte ich. Wieso war er so super drauf? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Chef ihm zehn Cent für jede weggeworfene Kippe als Lohnerhöhung angeboten hatte. Dennoch verhielt er sich so. Oder war vielleicht Claudias Nagellackentferner in sein Gras gelaufen, und Antonio hatte sich versehentlich einen Aceton-Joint reingezogen?
Die Servietten waren gefaltet, der Aperitif gekühlt, und Brömme nickte uns zufrieden zu. Jetzt konnte also dieTrauergesellschaft kommen. Nur eines wunderte mich. Die Stelle, an der sonst immer die Urne stand, war leer. Ein klaffendes Loch vor dem hübsch hergerichteten Schiffsaltar. Davor hatte sich ein langhaariger Musiker mit seinem transportablen Keyboard postiert. Sein Haar war fettig und zu einem Zopf gebunden. Gammelkünstler! Ich überlegte nicht lange, warum Erna Mauz noch nicht anwesend war. Und auch nicht, warum der Zottel-Pianist eine Sonnenbrille trug, obwohl er drinnen saß. Stattdessen zog ich es vor, die Ursache für Antonios funkelnde Augen herauszufinden. Vielleicht wusste ja Claudia was. Unauffällig pikste ich sie mit meinem Kugelschreiber in die Hüfte.
»He, weißt du, was Pfaffenhof von Antonio wollte?«, flüsterte ich.
Sie räusperte sich und blickte skeptisch zu Brömme. »Später.«
»Wie, später? Du weißt davon?«
»Modeljob …«, hüstelte sie diskret. Ah ja! Ich hatte also einen geheimnisvollen Hinweis bekommen, mit dem ich ebenso wenig etwas anfangen konnte wie Richard mit einer nackten Frau. Die Neugierde begann an mir zu nagen. Aber so sehr ich auch an Claudia herumpikste, sie blieb stumm.
Kurz darauf betraten drei ältere Damen in Schwarz gekleidet das Schiff, gefolgt von einem Mann im eleganten Anzug, der mir sehr bekannt vorkam. Ist das etwa …? Nein, oder? Hendrik Zapf! Er trug die fehlende Urne in seinen Händen. Als er mich sah, blickte er verlegen zu Boden.
»Willkommen an Bord«, begrüßte Brömme die Trauergäste. Er wies jedem seinen Platz zu und schnippte mit den Fingern, was so viel wie hopp-hopp bedeutete und im Grunde dasselbe war wie das Händeklatschen von Frau Dämon. Wie eingeteilt, lief ich mit Claudia zum Tisch,um die ersten Bestellungen entgegenzunehmen. Antonio arbeitete an der Cocktailbar. Ortrud hingegen hatte frei und sich eigenmächtig für den Frühjahrsputz in unserem kleinen Häuschen eingeteilt. Ein wahrer Putzteufel war sie und ein Engel, wenn es darum ging, Streitigkeiten zu schlichten.
Hendrik Zapf übergab Brömme die Urne und tuschelte etwas. Dann begann der Musiker mit einer Melodie, die ich nicht kannte. War das Klassik? Ich hatte nicht die geringste Ahnung, lief jedoch vom Rhythmus
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