Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
auch noch … ein, ein … Heiratsbrecher, hicks. Ein ganz linker, du.« Dabei stocherte ich mit erhobenem Finger in der Luft herum. »Saukerle, diese …« Ich musste kotzen und ließ mich unweit des Weges in den Sand sinken.
Richard folgte mir torkelnd. »Alles klar?«
»Yep!« Was so viel heißen sollte wie Ja und ein affenähnlicher Ausdruck unter Betrunkenen oder internetgeschädigten Usern ist. Nach und nach konnte ich wieder denken. Und der erste klare Gedanke war: Hendrik Zapf. Hallo? Hendrik Zapf!
Die Mittwochsphobie
Seit Richards Abfahrt kränkelte ich vor mich hin. Mittlerweile waren zwei ganze Wochen vergangen, und ich verfluchte jeden darauffolgenden Mittwoch. Und ich schwor mir, dass ich mich eines Tages an den Wochentag-Erfinder heranpirschen, sein Vertrauen gewinnen und ihn davon überzeugen würde, den Mittwoch gegen einen vierundzwanzigstündigen freien Tag auszutauschen. Überhaupt passte dieser Mittwoch nicht sonderlich zu den übrigen Wochentagen. Ich kratzte über meine unzähligen Mückenstiche, die sich seit meiner Ankunft wie Masern über meinen Körper ausgebreitet hatten. Diese Biester kamen überall hin. Selbst zwischen die Pobacken.
Trotz meiner aufgekratzten Stellen pfiffen mir die Männer hinterher. Am Strand, bei Dorfausflügen, ja sogar auf der Friedhild . Pferdefranz hatte mich zur Monroe des 21. Jahrhunderts gemacht. Und das mit einer lausigen Schere und der Erfahrung eines Dorffriseurs. Moment mal! War die Monroe nicht blond? O ja! Das war sie! Und ich war quasi das perfekte Gegenstück dazu. So wie Pechmarie, über deren Haar es kein Gold regnen würde.
»Du liegst noch im Bett?« Ortrud blickte mich fragend an.
»Ich fühle mich schlapp.«
»Immer noch?«, fragte sie ungläubig.
Diese Ausrede schien offenbar ausgelutscht zu sein. »Ach ja …«, stammelte ich so mürrisch ich konnte. Und überhaupt war heute Mittwoch.
»Raus aus den Federn! Komm schon!« Dabei klatschte sie in die Hände wie einst unsere Heimleiterin aus dem Turm. Frau Dämon hieß sie. Und sie hatte ihren Namen vom Teufel persönlich bekommen. Jeden Morgen lag sie auf der Lauer, um uns Kinder Punkt sechs aus den Betten zu jagen. Dieses tat sie mit genau diesem Händeklatschen, gefolgt von einem hopp-hopp.
»Hör auf damit!«, zischte ich unter meiner Decke vor. »Das ist ja furchtbar.« Kindheitstrauma!
Ortrud zerrte an meiner Bettdecke. »Raus mit dir! Die Arbeit wartet!«
Von wegen Arbeit. Wohl eher der Tod, der wieder einmal zugeschlagen hatte. Ich hasste diese Art von Arbeit, hasste es zuzusehen, wie Erbschleicher sich über Schweinerippchen oder Kalbsfilet hermachten und dabei über die Verstorbenen herzogen. Und ich hasste es, dass Richard nicht bei mir war und dass ich nicht zu ihm nach Berlin konnte. Aber am allermeisten hasste ich meine Grübeleien, in die sich zunehmend Hendrik Zapf einschlich. Einem, von dem ich dachte, dass ich ihn gar nicht mochte.
Nachdem es Ortrud gelungen war, mich zum Aufstehen zu bewegen, schlurfte ich in meinem Pyjama die Treppe hinunter zur Küche.
Claudia war wie üblich super drauf und lächelte mich mit ihren rosa Bäckchen an. »Guten Morgen«, sang sie, sprühend vor guter Laune.
Am Morgen, Viertel nach acht!
»Du mich auch«, murmelte ich leise vor mich hin.
Noch ehe ich meinen ersten Kaffee eingießen konnte, begann sie mich mit Fragen zu löchern. »Wo ist denn das Schäfchen auf deinem Schlafanzug geblieben?«
Hilfe! Wo sollte es wohl sein? »Im Wäschekorb«, erwiderte ich, während die anderen sich darüber lustig machten, dass ein Comic-Schweinchen mein Pyjamaoberteil zierte.
»Hast du auch Heu mit in die Wäschetonne getan?«, nervte mich Antonio. Ein echter Witzbold! »Schon mal was von Morgenmuffeln gehört?«, fragte ich beiläufig, während ich mich setzte. Natürlich war ich nicht immer ein Morgenmuffel. Nur momentan. Ich fühlte mich von der fröhlichen Morgenstimmung irgendwie überrumpelt.
»Nun iss ein Brötchen und lass dich nicht ärgern«, sagte Ortrud und schob mir die Konfitüre zu. Dabei zwinkerte sie.
»Danke«, antwortete ich und griff danach. Sie hatte was Mütterliches, was einen automatisch Haltung annehmen ließ. Ähnlich dem Schüler-Lehrer-Syndrom, an dem selbst Erwachsene noch litten, wenn sie zu den gefürchteten Elternabenden berufen wurden. Ich beschmierte meine Brötchenhälften. »Weiß jemand, wer heute bestattet wird?«, schmatzte ich in die Runde.
»Eine Erna Mauz«, sagte Antonio. »Soll wohl mit
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