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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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konnte nicht links oder rechts sitzen. Nein! Es musste die Mitte sein!
    »Nun rutsch doch mal!« Ich versuchte mich zwischen Richard und die Kante zu drücken.
    »Nimm doch einen eigenen«, meinte er.
    »Du bist so eine Zicke!«, fluchte ich und nahm einen zweiten in Beschlag. Noch bevor ich richtig saß, hatte sich Richard die Speisekarte geschnappt und begann die Spezialitäten des Hauses aufzuzählen. Dabei schlug er das linke Bein über das rechte. Ich lauschte seiner Stimme, lehnte mich entspannt zurück und sah auf das Windlicht, das unseren Tisch zierte. Mittlerweile dämmerte es.
    Als er fertig war, blickte er mich an. »Und? Nimmst du die überbackene Scholle oder den gedämpften Kabeljau?«
    Kabeljau, Scholle … Mir war das wurscht. Hauptsache, ich bekam keinen Hai in Sushi-Form. Ich musste wieder an den Bootssteg denken und an die im Wasser baumelnden Beine. Ob der Hai nach irgendeinem Auswahlkriterium seinen Beute-Fuß aussuchte? Und wenn ja, nach welchem?
    Richard räusperte sich. »Was nun?«
    »Stinkefüße«, rief ich aus.
    Richard blätterte sich erneut durch die Karte. »Das steht da nicht.«
    Hatte ich das etwa laut gesagt? Ich kicherte in mich hinein. »Sorry, ich hab nur laut gedacht.«
    Er legte die Karte zurück und musterte mich. »Du sitzt in einem erstklassigen Fischrestaurant und denkst an Stinkefüße? Du solltest dich echt mal untersuchen lassen.«
    Wenig später, nachdem wir uns entschieden hatten, saßen wir stumm über dem leblosen Fisch, der nett garniert in einem Porzellanschiffchen auf gegartem Blattgrün schlummerte. Vorsichtig stach ich mit meiner Gabel ins Fleisch und nahm einen Happen davon. »Ich vermisse dich jetzt schon«, murmelte ich leise.
    Richard sah mich an. »Ach, Süße, es ist doch nicht für lange. Und Berlin ist ja nicht das Jenseits.« Er zwinkerte mir zu und zog geschickt das Grätenstück aus seinem Fisch. Irgendwie bewunderte ich ihn dafür, wie fingerfertig er mit solchen Dingen umgehen konnte. Und für seine Nägel, die immer gepflegt und sauber aussahen. Nicht mal in der allergrößten Stressphase seines Lebens hatte er daran gekaut.
    Ich blickte auf meine Finger, deren Spitzen unweigerlich an knubbelige Froschfüße erinnerten. Schlechte Vererbung, behauptete ich immer. Ob das stimmte, wusste ich allerdings nicht. Woher auch? Die Heimleitung hatte immer ein großes Geheimnis um den Verbleib meiner Eltern gemacht. Keine Familienfotos, keine Dokumente. Angeblich ein typischer Babyklappenfall. Von wegen!
    Richard hatte seinen Fisch verputzt und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. »Du bist so still? Nun erzähl doch mal von diesem Trauergast, der dich geküsst hat.«
    Ich würgte das Blattstück in meinem Hals herunter und hüstelte. »Da war nichts weiter.«
    Er zog seine Augenbrauen hoch und schob den Teller beiseite. »Nichts?«
    »Rein gar nichts«, erwiderte ich. Ich wollte keinesfalls an diesen schnauzbärtigen Knutschhelden oder jenen Moment erinnert werden, als seine Lippen meine Wange trafen. Stattdessen versuchte ich das Thema umzulenken. »Wolltest du mir nicht die Geschichte weitererzählen? Die von dem gestohlenen Ballerina-Kleid?«
    Richard winkte den Kellner heran. »Ach, bringen Sie uns doch einen Aperitif.«
    Der Kellner nickte. »Sehr gerne. Haben Sie einen speziellen Wunsch?«
    Richard sah mich an. »Was hältst du von einem trockenen Shortdrink?«
    »Klar, nach dem fettigen Fisch.«
    »Zwei Martini Dry, bitte.«
    »Moment! Ich hätte ihn lieber mit Perlzwiebel statt Olive«, wandte ich ein. Der Kellner lächelte mich an. »Kein Problem, Madame. Ein Martini Gibson, kommt sofort.« Dann verschwand er in der Cocktailecke des Restaurants.
    Fünf Martinis später schwankte ich mit Richard den kleinen Inselweg zurück zum Haus. Mir war kotzübel, obwohl ich mich schon zweimal übergeben hatte.
    »Weißt du noch, wo dieses Dingsda-Matrosen-Bumsda steht? Hicks …«, lallte ich fragend. Es fiel mir schwer, die Buchstaben, die sich in meinem Kopf sammelten, zu einem sinnvollen Wort zu verbinden.
    Richard ahnte, was ich wissen wollte, und nickte mit schmerzverzogenem Gesicht. Dann blieb er stehen, schaute an sich herunter und fing an zu heulen. »Dieser elendeSchuft … dieser …« Er kramte ein Bild von sich und Joe aus seiner Jackentasche, zerknüllte es und warf es ins Meer.
    »Für die Haie! Jawohl!«, stotterte ich. »Soll der doch … hicks, Joes Stinkefüße abbeißen.«
    Richard schluchzte. »Heiraten wollten wir.«
    »Dann ist das

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