Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
der Musik angetan hin und her, während ich versuchte, jeglichen Blickkontakt mit Hendrik Zapf zu vermeiden. Aus irgendeinem Grund hatte ich die Bestellung verwechselt und Tonic-Wasser auf meinem Serviertablett.
»Ich hatte zwar Bitter Lemon bestellt, aber stellen Sie es ruhig ab. Ich nehme es trotzdem«, sagte Hendrik Zapf bei der Sichtung des Getränkes in meiner Hand.
Mist! Das passierte mir ausgerechnet bei diesem aufdringlichen Unhold.
Bei der Bestattungszeremonie hielt ich mich geschickt im Hintergrund, obwohl ich nicht annahm, dass mich Hendrik Zapf ein zweites Mal zur Hilfe an die Reling bitten würde. Erna Mauz sollte nicht das gleiche Schicksal ereilen wie Alfred Zapf. Ich machte mir irgendwie immer noch Vorwürfe, dass der alte Herr aus der Urne geweht worden war. Und das ausgerechnet ins Gesicht seines Sohnes.
Kapitän Pfaffenhof gab das Zeichen zum Signal. Das Nebelhorn ertönte standesgemäß dreimal in Folge, zum Abschied der Verstorbenen. Wer war die Verstorbene eigentlich? Außer ihrem Namen wusste ich nichts über sie. Hendrik Zapf trat vor und ließ die Urne Stück für Stück nieder, bis sie vollends im Meer versunken war. Es folgteeine Schweigeminute. Ich blickte zu Hendrik Zapf hinüber, und er schaute in diesem Augenblick zu mir. Unsere Blicke trafen sich, was meinerseits Gänsehaut zur Folge hatte. Wieso eigentlich? Ein Gefühl der Wonne überkam mich, während mein Herz wie wild pumpte. Zuneigung? Liebe? Irgendwas hatte dieser Kerl, das mir den Kopf verdrehte. Aber was? Er lächelte mich an. Und dieser Blick … wie der eines Welpen, den man eigentlich gar nicht will, aber dennoch plötzlich daheim im Hundekörbchen sitzen hat. Es waren diese Dinge, die man Schicksal nannte, für die es auch keinen tieferen Sinn gab. Sie geschahen einfach! Aber mir? Ich hatte diese Art von Gefühlen noch nie gehabt, hatte auch niemals zuvor wirklich geliebt. Okay, vielleicht Mister Mumps, mein ehemaliges Meerschweinchen, das mich täglich fünf Jahre mit einem Quieken begrüßt hatte. Und vielleicht Richard, der wie eine große Schwester zu mir stand. Aber noch niemals einen Mann.
Wieder drinnen, winkte mich Hendrik Zapf an den Tisch. Vorbildlich schnappte ich Stift und Block, um seine Wünsche zu notieren.
»Einmal das See-Ei auf Blattgrün und zwei Gläser Champagner«, wiederholte ich seine Bestellung.
Er zwinkerte mir zu und erzählte mir von der verblichenen Tante Erna und einem Haus auf Rügen, das er geerbt hatte. Claudia servierte unterdessen Salatteller mit Shrimps für die Damen des Tisches.
»Ich kann aber nicht mit Jahrgangschampagner dienen. Lediglich mit einem ohne Jahrgang«, fachsimpelte Antonio, als ich die Getränke bestellte.
»Aha«, säuselte ich geistesabwesend. Meine Gedanken schwebten irgendwo zwischen Wolke Sieben und der Frage, warum Antonio mit einem Dauergrinsen herumlief.»Du, sag mal, was wollte Pfaffenhof vorhin eigentlich von dir?«
»Im Grunde nur die letzten zwei Schichtwochen absichern«, sagte er und füllte den Champagner in die Gläser.
Ich verstand nur Bahnhof. »Hä? Was heißt die letzten Schichtwochen?«
»Ich hab den Zuschlag für einen Zweijahresvertrag bei einem exklusiven Unterwäsche-Label. Und das heißt, ich bin hier bald weg.«
Liebe ist Miau
Ich hatte mich tatsächlich zu einem abendlichen Stranddinner mit Hendrik Zapf überreden lassen. Und das nach einem stressigen Mittwoch und drei Seebestattungen. Aber ich hatte es ihm keinesfalls leichtgemacht. Erst nachdem er mich den hinterbliebenen Kindern von Erna Mauz vorgestellt hatte, war es um mich geschehen. Aus der kleinen Kiste im Kofferraum starrten mich sechs riesige Knopfaugen an. Entzückt griff ich hinein und beförderte ein dreifarbiges Exemplar zutage.
»Ein richtig kleiner Knuffelbär«, schwärmte ich von dem Kätzchen in meinen Händen.
Hendrik Zapf streichelte über das Katzenköpfchen und blickte mich an. »Dann behalten Sie den kleinen Mann doch einfach.«
»Ach was, ich wäre eine lausige Katzenmama«, versuchte ich mich vor der Verantwortung zu drücken. Immerhin hatte ich einmal Mister Mumps in der S-Bahn vergessen und es erst am nächsten Morgen bemerkt. Ein Fahrgast hatte ihn beim Zugbegleiter abgegeben, mit dem Hinweis, dass Meerschweine in Zügen nichts zu suchen haben.
Das kleine Kätzchen fuhr die Krallen aus und klammerte sich an meine Stola. Miauend forderte es seine Mahlzeit, die Hendrik Zapf in kleinen Plastikdosen dabeihatte.
»Hier«, sagte er und reichte mir eine
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