Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Dose. »Wenn Sie mögen, können Sie ihn füttern.« Dann setzte er sich auf den Rand seines Kofferraums und widmete sich den anderenzwei Miezen. Ich beobachtete, wie er sanft den Löffel in ihre Mäulchen versenkte.
»Wie kommt man nur auf die Idee, eine Katze auf dem Meer bestatten zu lassen?«, fragte ich interessiert nach dem wahren Hintergrund.
Er lächelte stumm vor sich hin.
»Und die Formalitäten? Hat denn keiner Fragen gestellt?« Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass eine verstorbene Katze als Tante Erna durchging, ohne dass jemand das hinterfragte.
Hendrik Zapf setzte die zwei Babys zurück und strich sich das feine Katzenhaar vom Schoß. »Wenn ich Ihnen nun erzählen würde, dass ich Sie wiedersehen wollte?«
Ich war überrascht. »Wollten Sie das denn?«
Er lachte. »Ja, das wollte ich.«
Hendrik Zapf erzählte mir die ganze Geschichte. Dass er sich verliebt hatte, an dem Tag, als ich ihm half, die Augen auszuwaschen. Und dass er keine Nacht mehr schlafen konnte, ohne an mich zu denken. Ich erfuhr, dass er bisher in Dortmund als Tierarzt praktiziert hatte, jedoch seit zwei Tagen auf Rügen lebte und sich als Landtierarzt im Hause seines Vaters eine eigene kleine Tierarztpraxis aufbauen wollte. Und er berichtete von Erna Mauz, der verstorbenen Katzenmama, die über zehn Jahre an seiner Seite gelebt und vor einigen Tagen leblos am Straßenrand gelegen hatte.
»Ich habe alles versucht! Sogar reanimiert …«, schluchzte er. »Irgendwann gab ich auf und ließ sie schließlich einäschern. Und den Rest kennen Sie ja.«
Ich war zu Tränen gerührt und kramte in meiner Tasche nach einem Zellstoff.
Zwei Stunden später saß ich im Rügener Erbhäuschen und nippte an einem Glas Riesling. Hendrik Zapf hatte michnoch zu einem Abschlussdrink eingeladen und mir das Haus gezeigt.
»Was halten Sie von einem Du?«, fragte er beim Nachschenken.
»Gerne«, erwiderte ich. Insgeheim wünschte ich mir nichts sehnlicher.
Er stieß sein Glas gegen meines und spitzte seine Lippen zu einem Kuss. Ich schloss die Augen in großer Erwartung und konnte es kaum abwarten, seinen Mund auf meinem zu spüren. Aber es geschah nichts. Ich öffnete meine Augen und blickte ihn fragend an. »Was ist?«
»Dein Name.«
Upps!
»Jessica«, antwortete ich. Meinen Spitznamen sparte ich mir jedoch. Ich hatte keine Lust auf Erklärungen oder alberne Witze, zumal dieser Name auch gar nicht mehr zu mir passte.
»Und ich bin Hendrik.« Dann küsste er mich.
Der Blick zur Uhr verriet mir, dass sich der unbeliebte Mittwoch langsam dem Ende zu neigte. In einigen Sekunden würde er für den Donnerstag Platz machen und für sechs Tage in der Versenkung verschwinden. Ich wurde nervös, rutschte auf dem Sofa hin und her. Was sollte ich Richard erzählen, weshalb ich nicht angerufen hatte? Schließlich waren wir telefonisch verabredet. Ich befürchtete, er würde mir die Kulleraugennummer der Kätzchen nicht abnehmen und tausend Fragen stellen. Irgendwann würde ich kapitulieren und ihm vom unverhofften Liebesglück berichten, was einen Depri-Anfall seinerseits zur Folge hätte.
Gott, ich bin erledigt! Schwesternmord nach verschwiegener Liebesaffäre.
»Ist dir kalt?«, fragte Hendrik besorgt. Dabei legte er seinen Arm um mich.
»Nein! Ich würde nur gerne jetzt nach Hause.« Hatte ich nach Hause gesagt? Muglitz war doch überhaupt nicht mein zu Hause. Das war immer noch Berlin!
Schon von weitem konnte ich unser Haus erkennen. Der Mond stand tief und erhellte das kleine Inseldörfchen. Hendrik fuhr seinen Wagen bis vor die hölzerne Gartentür, direkt neben Mokkaböhnchen. Dann stieg er aus und öffnete die Beifahrertür des schwarzen BMW.
»Sehen wir uns morgen?«, flüsterte er mir leise zu.
Ich nickte und umarmte ihn. »Danke für den schönen Abend.« Und das meinte ich wirklich. Noch nie zuvor hatte ich mich so weiblich gefühlt, so verliebt und glücklich. Dann fiel mir Knuffelbär ein. Ich wollte mich unbedingt auch von ihm verabschieden. Hendrik öffnete den Kofferraum. Aber als ich in die Kiste blickte, schliefen die drei Kätzchen fest und friedlich in ihrer Decke.
»Knuddel du ihn von mir«, hauchte ich Hendrik ins Ohr und küsste seine Wange. Dann stieg er ein und winkte noch einmal, bevor seine Scheinwerfer im Dunkel der Nacht verschwanden.
Im Haus war alles still. Nur in der Küche schien noch eine Kerze zu brennen. Ich ging hinein, um sie auszupusten, und erschrak. »Mann, Ortrud! Was hockst du hier im
Weitere Kostenlose Bücher