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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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schon im Kinderheim bei unseren unerlaubten Fernsehnächten geängstigt, zumal die Jungs danach immer mit diesen Fleischerhaken-Imitaten an den Türen der Mädchenzimmer kratzten. Furchtbare Sache, wenn man von seiner Erzieherin zu hören bekommt, dass Messerwerfen im Affekt von der Heimleitung nicht anerkannt wird undsomit als Verteidigungswaffe wegfällt. Nur Richard, der damals seinen Zivildienst bei uns in der Heimküche ableistete, hatte mein wahres Anliegen sofort erkannt und mir zwei besonders spitze Gabeln zugesteckt, mit den Worten: »Sag, du warst beim Essen, als sie über dich herfielen.« Von diesem Tag an waren wir dicke Freunde, auch wenn ich mich oft über seine blau getuschten Wimpern wunderte. Er war ein prima Typ, der auf High Heels besser als Frau Dämon stöckeln konnte.
    Der Küchendunst war abgezogen, die trüben Gedanken verflogen. Ich rannte die Landungsbrücke hinunter und blickte mich suchend um. Hendrik war immer überpünktlich, nur heute schien er nicht gekommen zu sein. Wir schlenderten meist noch am Strand entlang, bevor wir irgendwo zum Essen einkehrten. Danach fuhr jeder nach Hause. Gerade als ich Mokkaböhnchen starten wollte, hupte es hinter mir. Ich sah mich um und erkannte Hendriks Wagen.
    »Tut mir leid, aber ein Notfall«, entschuldigte er seine Verspätung. Dann öffnete er die Beifahrertür, und ein dreibeiniger Fuchs hüpfte etwas unbeholfen aus dem Fußraum.
    »Wo kommt der denn her?«, fragte ich, während ich meinen Helm abnahm.
    »Wurde bei einer verstorbenen alten Dame gefunden. Wahrscheinlich hat sie ihn wie einen Hund gehalten.«
    »Oder nicht gewusst, dass es keiner ist! Und was soll er jetzt beim Tierarzt?«
    »Quarantäne und die übliche Vorsorge, bis sich jemand des armen Kerls annimmt.« Dabei sah Hendrik mich mit diesem typischen Dackelblick an, so wie einst bei Knuffelbär.
    »Ich und ein Fuchs? Kommt gar nicht in Frage! Vergiss es gleich wieder!«
    »Nur für einige Tage«, bettelte er.
    »Ortrud wirft mich raus, wenn ich jetzt auch noch einen Fuchs anschleppe. Du ahnst ja gar nicht, was unser Ach-so-süßes-Babykätzchen letzte Nacht angerichtet hat.«
    »Dann zieh zu mir!«
    »Aber …«
    »Aber was? Wir lieben uns, und im Hause meines Vaters ist genügend Platz für eine ganze Familie.«
    Da war es wieder, dieses Wort, das mich erstarren ließ. Familie!
    Dafür, dass ich eigentlich gar keine Haustiere wollte, hatte ich innerhalb kurzer Zeit gleich zwei. Super hartnäckig geblieben! Bravo, Rapunzel!, rief mir die Stimme in meinem Kopf hämisch zu. Ich beugte mich hinab und kraulte den Nacken des Tieres. Dabei dachte ich an das Kinderlied: Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Ob er auch dumme Gänse stahl? Dann würden für Claudia schlechte Zeiten anbrechen, vorausgesetzt Ortrud, die Hausherrin der Pension, mochte einem Fuchs Unterschlupf gewähren. Immerhin war es kein ganzer, und stubenrein war er angeblich auch. Ich tastete mich an seinem Halsband entlang zu einer Münze. Moment mal! Der Fuchs hat eine Steuermarke? Freudig wie ein Seeräuber, der gerade das Kreuz auf der Schatzkarte gefunden hatte, erzählte ich von meiner Entdeckung. »Der Fuchs hat eine Steuermarke.«
    »Weiß ich.«
    Ich blickte ihn misstrauisch an. »Es gibt auf Rügen eine Fuchssteuer?«
    Hendrik lachte, hockte sich neben mich und streichelte den Fuchs. »Nein, natürlich nicht. Die Steuermarke ist füreinen Dackel ausgestellt worden, der jetzt um die siebenundzwanzig Jahre sein müsste.«
    »Wow! Ein stattliches Alter. Und der lebt noch?« Ich wollte keinesfalls noch zusätzlich einen Greisen-Waldi aufnehmen, dem ich womöglich noch alle drei Stunden die Windel wechseln müsste.
    »Gott, nein!«, schmunzelte er über meine verrückte Vermutung.
    »Sie hat ihm also die Marke vom Dackel umgehängt?«, forschte ich weiter.
    »Ich denke, dass sie ihm einfach nur das alte Halsband ihres Hundes angelegt hat. Und dass sie schlichtweg vergessen hatte, ihren Dackel nach seinem Tode abzumelden.«
    Oder den Fuchs doch für einen Hund gehalten! »Und das Steueramt hat sich nicht gewundert?«
    »Worüber? Solange die ihr Geld bekommen, fragen die nicht nach. Apropos, mein erster großer Inselkunde hat auch überwiesen. Das heißt, ich würde dich gerne zur Feier des Tages in den Rügener Seestern einladen.«
    Ich hatte die Einladung angenommen, mich daheim umgezogen und bei Ortrud schon einmal wegen des Fuchses vorgetastet. Und nun waren wir auf dem Weg ins nobelste Restaurant der Gegend. Der

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