Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
schwarze Pfanne mit ebenso schwarzem Inhalt auf. Er nahm mich tröstend in den Arm. »Schon gut, ich bestelle uns eine Pizza.«
Ich schmiegte mich an ihn. Wenigstens hatte mein Abendbrot das Öffnen des mysteriösen Päckchens verhindert. Nur für wie lange? Denn auf dem Weg ins Wohnzimmer, zur Bestellliste des Pizzadienstes, blieb Hendrik erneut davor stehen, während er telefonisch die Bestellung durchgab. Er klemmte den Hörer zwischen Ohr und Hals. Dann fuhr er mit dem Brieföffner unter den verklebten Rand. Mit einem Ritsch war es offen.
Jetzt! Ich suchte Deckung hinter der Küchentür, aber es blieb still. Weder ein Bumm noch ein Wumm. Vorsichtig äugte ich in den Flur hinaus.
Hendrik wendete interessiert die Flasche in seiner Hand. »Wahnsinn! Ein im Fass gereifter Whisky.« Seine Augenstrahlten. »Nun sieh dir das an.« Er griff erneut in den Karton und zog einen Cowboyhut heraus. »Qualitätsleder, so wie ich ihn immer wollte.«
»Du stehst auf Cowboyhüte?«, fragte ich irritiert über seine plötzliche Freude. Einerseits fand ich seine Gesinnung gut, andererseits fühlte ich mich unwohl, weil seine Ex mir weit voraus war, wenn es um Hendriks Vorlieben ging. Ich trat zu ihm und betastete das Leder des Hutes. »Nicht übel«, pflichtete ich ihm bei, um nicht als Spielverderber dazustehen. Dennoch ahnte ich, dass Isabell einen Grund dafür haben musste. Keine Frau dieser Welt schickt ihrem Ex einfach so Hüte oder Whisky. Es sei denn, sie verfolgt ein Ziel damit. Ich hatte die Befürchtung, dass sich Isabell noch lange nicht aus Hendriks Leben verabschiedet hatte. Und vielleicht wollte sie ihn sogar wieder zurückgewinnen. Frauen tun so was öfter, hatte Richard mir mal erzählt. Sie durchleben in der Trennungsphase eine Art Entzug vom gewohnten Partner, was dazu führt, dass sie ihr selbsternanntes Eigentum zurückerobern wollen. Erst recht, wenn eine Rivalin hinzustößt. Und wer weiß, vielleicht ahnte sie ja was.
Hendrik lächelte mich an. »Warst du schon mal in Kanada?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Land, so weit dein Auge blickt. Rinderherden, die sich bebend in Bewegung setzen, wenn sich die Cowboys auf ihren Pferden nähern.« Er schlug sich auf die Beine. »Ich sage dir, zwei Wochen im Sattel und du spürst Muskeln hier drinnen, die du vorher nicht kanntest.«
»Warst du mit ihr dort?«, wollte ich wissen.
»Mit Isabell? Nein. Sie war damals in Irland unterwegs, auf der Suche nach einem perfekten Zuchthengst für das Gestüt ihrer Eltern.«
Super! Ein Paris-Hilton-Verschnitt . Der Hut und der Whisky waren quasi Peanuts für seine Ex. Und wahrscheinlich hatte sie die typische Blondhaarmähne, die sie natürlich nur zu sexuell stimulierenden Vorspielchen einsetzte, aber ansonsten streng zusammengebunden trug. Ich lauschte seinen ausführlichen Erinnerungen, bis es erneut an der Tür klingelte. Die Pizza! Gott sei Dank.
Nach einem Abend voller gelüfteter Geheimnisse sowie einem vollen Magen schlurften wir händchenhaltend ins Bad hinauf. Hendrik hatte mir eine Fußmassage versprochen, wenn ich ihm den Rücken einseifen würde. Glücklich, den Mann meines Herzens gefunden zu haben, ließ ich Wasser in die altertümliche Badewanne, die auf eigenartig gebogenen Füßen stand. Skurriles Designerstück, meinte Hendrik. Ich tendierte eher zu einem vergessenen Stück Badgeschichte – einem Sanitär-Oldie.
»Ach ja«, seufzte Hendrik auf. »Morgen muss ich zu diesem Kremer und seinen gefundenen Robbenbabys.«
Ich ließ etwas Lavendelöl ins Wasser laufen. »Wo findet der die nur immer?«
Hendrik lachte. »Am Strand vielleicht?«
»Sehr witzig«, fauchte ich zurück. »Ich meine doch, wo sind all die Eltern der Robbenbabys?«
»Gefressen, umgekommen oder verletzt.«
»Gefressen? Von Haien!«, fuhr es erschrocken aus mir heraus. »Ich wusste es doch! Es sind diese Monster mit der spitzen Flosse, mit der sie ihre Opfer vorm alles entscheidenden Todesbiss in Panik versetzen.« Mir wurde plötzlich kalt, während mein Gesicht die Farbe einer frisch gekalkten Wand annahm. Die armen Robbenmütter!
Hendrik zog mich an sich heran. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. »Ja.«
»Du leidest unter einer Selachophobie?«, fragte er besorgt.
»Ich leide unter was?«
»Der Angst vor Haien«, erklärte Hendrik, während er über mein Haar streichelte. »Diese Art Ängste gibt es auch unter Tieren.«
Ein Hai, der unter einer Hai-Angst litt? Ich musste trotz Atemnot
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