Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Fuchs war braver als alle Hunde, die ich kannte, und kein Vergleich mit Knuffelbär, der jede Nachlässigkeit nutzte, um seine Krallen in etwas hineinzuschlagen. Er saß auf dem Rücksitz des BMW und legte sich auf eine witzige Art in jede Kurve, die Hendrik nahm.
Hendrik blickte zu mir herüber. »Du hast noch immer nicht auf meinen Vorschlag geantwortet.«
»Was meinst du?«
»Dass du zu mir ziehst. Dann hätten wir mehr Zeit füreinander.«
Im Grunde hatte er ja recht. Von der praktischen Seite betrachtet, wäre es besser als die nachfeierabendlichen Treffs. Aber in seinen Augen blitzte diese Hoffnung auf, die ich nicht erfüllen konnte.
»Ich will keine Kinder«, erwiderte ich vollkommen zusammenhangslos. Und ich wartete gespannt auf seine Reaktion. Aber Hendrik lächelte weiter, während er auf den Parkplatz des Restaurants fuhr. Dann stützte er sich auf sein Lenkrad und sah mich an. »Wer sagt denn, dass du welche bekommen musst?«
Ich zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich dachte nur … Keine Ahnung.«
»Hör zu«, begann er mir ins Gewissen zu reden. »Unsere Beziehung wird niemals an irgendwelche Regeln oder Dinge gebunden sein, wenn wir sie nicht beide wollen.«
Ich nickte.
»War das ein Ja?«
»Okay, wir versuchen es«, gab ich nach. Aber ich hatte mir damit auch ein winziges Türchen offengelassen. Meinen Freifahrtschein zurück nach Berlin.
Obschon ich meine beste Kleidung trug, kam ich mir irgendwie schäbig an Hendriks Seite vor. Eine aufgetakelte Dame nickte ihm grüßend zu. Eine andere, die in einem hautengen Glitzerfummel steckte, grinste dermaßen, dass sich ihre Mundwinkel fast ums geliftete Gesicht wickelten, wären da nicht ihre abstehenden Ohren mit den Edelklunkern gewesen.
Ich versuchte so elegant wie möglich dahinzuschreiten, um von meinem Strickkleid abzulenken. Kunterbunt übrigens und eigens von Richard gestrickt, in all den Nächtenvoller Selbstzweifel, an denen er mit Wollresten vor meinem Bett gehockt hatte. Aber es hatte Stil! Und einen Reißverschluss, der vom Rücken bis zum Boden reichte. Ein Unikat eben. Hendrik bemerkte, dass ich mich unwohl fühlte, und legte seinen Arm um meine Hüfte, während wir dem Kellner folgten. Er blieb vor einem leeren Vierertisch stehen.
»Wenn Sie gestatten?«, sagte er und half mir beim Platznehmen.
Hendrik setzte sich mir gegenüber. Er nahm die Speisekarte entgegen, die in feinstes Leder gebunden war. Ein goldener Seestern zierte die gegerbte Tierhaut einer vermutlich extra dafür gestorbenen Ziege. Ich bekam die Dessertkarte, weil der Kellner mich wohl in meinem Outfit für ein übergroßes Bonbon hielt. Auch diese Karte war edel gearbeitet und entlockte mir beim Blick auf die kleingedruckten Preise eine Träne. Mousse de Champagne auf einem Trüffelbett für schlappe 22 Euro?
Hendrik musste mich wirklich sehr lieben. Ich lächelte ihm zu. »Sollten wir nicht lieber zur Frittenbude fahren und uns für die gesparten Euro einen Kurzurlaub gönnen?«, flüsterte ich hinter vorgehaltener Hand.
Er lachte verlegen. »Was hältst du von Hirschgulasch in Rotweinsoße?«
»Hm … klingt gut. Gibt’s da Pommes dazu?«
Wer hätte gedacht, dass Hendrik den Kellner tatsächlich nach Pommes frites fragen würde. Entsetzt schüttelte dieser den Kopf und verwies auf die Karte.
Alternativ hatten wir uns letztendlich für Kartoffeltaschen mit hauseigener Kräuterquarkfüllung entschieden. Nur ganze fünf Minuten hatte es gedauert – und ich habe zweiunddreißigmal gekaut bei jedem Bissen –, bis ich dasLuxus-Menü à la Seestern verschlungen hatte. Hendrik hingegen war offenbar kleinere Portionen gewöhnt, oder er hatte vorher heimlich an der Strandfrittenbude seinen ersten Hunger gestillt. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum mein Magen danach noch knurrte und seiner nicht. Gentleman, wie er war, spendierte er mir einen Nachgang, mit der Bemerkung, dass ich gut aussehe. Er meint fett! Ganz sicher. Ich hörte diese Stimme in mir, die mir sofort auf den Magen schlug. Eine Frau muss auf der Hut sein, solange sie nicht unter der Haube ist. Dazu gehörte auch, auf kleinste Anspielungen des Partners zu achten. So jedenfalls rechtfertigte Sarah ihren extremen Fitnesswahn, der der Grund dafür war, dass sich aus ihren dürren Spaghetti-Armen dicke bläuliche Adern herauspressten. Richard hatte sich einmal ihren linken Arm für ein Fotoshooting geborgt und damit bei einem Künstlerwettbewerb den dritten Platz gewonnen.
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