Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Veränderung meines Beziehungsstatus vorarbeiten.
»Und deshalb kannst du nicht anrufen? Wegen einer Katze?«
»Sie ist eben noch klein, ein Baby sozusagen. Und stell dir vor, die Katzenmama ist verunglückt und auf See bestattet worden.«
»Bei euch gibt’s Seebestatter für Katzen?«, fragte er ungläubig.
»Ja! Ich meine nein!«
»Na, was denn nun?«
»Nur als Tante getarnte Katzen«, versuchte ich zu erläutern. Aber Richard konnte mir nicht folgen und quiekte ein »Hä?« durchs Handy.
»Okay, vergiss die Seebestattung und die Katze. Da ist auch noch was anderes.«
Seine Atmung wurde ruhiger, und ich konnte deutlich spüren, wie er sein Ohr ans Handy presste. Er lag auf der Lauer wie ein dominantes Erdmännchen, das nur auf eine Gelegenheit wartete, das ungehorsame Familienmitglied des Rudels zu verweisen.
»Du erinnerst dich doch noch an diesen Trauergast, dem ich versehentlich eine Ohrfeige gegeben habe«, leitete ich ein.
»Was ist mit dem?«
»Er und ich …, wie soll ich sagen? Wir sind irgendwie ein Paar.«
Sekunden der Stille folgten.
»Richard? Bist du noch dran?« Insgeheim hoffte ich, dass seine Wortlosigkeit nur eine unterbrochene Leitung war. Aber auch diese Hoffnung zerplatzte, als Richard aufschrie: »Bedeutet das etwa, du ziehst mit ihm in dein WG-Zimmer? Direkt neben meinem?«
»Richard, nein! Natürlich nicht.«
»Unsere abendlichen Privatmeetings … Unsere Ich-lackiere-deine-und-du-meine-Nägel-Abende, alles vorbei? Oder hattest du vor, Mister Unverschämt daran teilhaben zu lassen?«, nörgelte er weiter. Dann verfiel er in seine typische Depression, die sich akustisch in einem herzzerreißenden Schluchzen darbot. Ich hingegen starrte aufdas Handy in meiner Hand. Nicht mehr in Berlin zu wohnen, in meinem gewohnten Zimmer leben zu können, daran hatte ich wirklich nicht gedacht. All meine Theaterfreunde, meine Berliner Zugstrecke, die Currywurstbude, die nur wenige Schritte von unserer WG entfernt stand und rund um die Uhr offen hatte … Alles, was ich so sehr liebte, gäbe es dann nicht mehr.
»Richard! Hör auf! Hendrik würde sowieso nicht mit mir in Berlin leben können.«
»Nicht? Heißt das etwa, du …?«, heulte er ins Telefon.
Ich müsste tatsächlich auf dieser Insel bleiben und an der Seite eines Tierarztes leben, schoss es mir durch den Kopf. Ich? Eine brave Hausfrau und Tierarztgattin? Vielleicht hatte Richard mir gerade vor Augen geführt, dass ich zu einem normalen Leben nicht fähig war. Und auch nicht bereit, mein bisheriges dafür aufzugeben. Schließlich war ich einst ausgezogen, um ein großes Schauspieltalent zu werden, auf den Brettern der Berliner Theater. Eine Zukunft mit Hendrik wäre das absolute Gegenteil von meinem Lebensziel und nicht zu vereinbaren. Oder doch? Ich war verwirrt in diesem Moment, während mein rauchender Kopf verzweifelt nach einer Lösung forschte.
»Pass auf! Ich komme so schnell es geht nach Berlin, für ein, zwei Tage, und dann reden wir noch mal darüber.«
»Du bist auf dem besten Wege gewesen, das brillanteste Rapunzel aller Zeiten zu spielen«, untermauerte er mit hochziehender Nase seine Bedenken.
»Ich weiß das! Und sag ja auch gar nicht, dass ich das nicht mehr will.«
»Dieser Typ wird dir alles kaputtmachen. Und wenn du nicht mehr taufrisch bist, wird er dich gegen eine knackige Zwanzigjährige eintauschen. So ist das doch immer.«
»Ist es nicht!«, sprach ich dagegen. Nur weil Joe einenJüngeren hatte, mussten doch nicht alle Männer so sein. Jedenfalls nicht Hendrik. So einer war er nicht. »Und überhaupt, was geht dich das an?«
Richard drückte mich weg. Einfach so. Und er hinterließ in mir ein schlechtes Gewissen.
Mit festen Schritten lief ich zur Anlegestelle der Friedhild . Noch wenige Minuten, dann würde sie einlaufen, und die ersten Trauergäste würden gesättigt und zufrieden von Bord stapfen. So lief es jedenfalls meistens ab. Noch immer hatte ich keine Ausrede für meine extreme Verspätung. Ich könnte sagen, ich wurde von starken Regelblutungen überrascht und musste umkehren. Oder ein vermummter Mann hat mich entführt, zu sich nach Hause gezerrt und zum Abwaschen gezwungen. Ich musste kichern. Als wenn mich einer zu irgendeiner Art von Hausarbeit zwingen könnte. Nicht einmal mit dem Nachdruck einer Kaliber Achtunddreißig. Verflixt und zugenäht! Das Schiff steuerte direkt auf mich zu, und ich hatte keine Erklärung parat. Ist das Brömme dort auf Deck? Ich kniff meine Augen zusammen und
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