Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Uniform, wie die Matrosen?«
»In Jeans können Sie einer Beerdigung wohl schlecht beiwohnen«, erwiderte Brömme bissig und beäugte mich von oben bis unten. »Ich schätze achtunddreißig, nicht wahr?«
Ich nickte. Dieser Brömme schien nicht gerade ein Menschenfreund zu sein. Erst recht kein Gentleman. Er notierte alles auf einer Liste, setzte ein paar Kreuze und unterschrieb. Dann blickte er auf meine Füße. Aber noch bevor er seine Frage stellen konnte, sagte ich: »Achtunddreißigeinhalb.«
»Knick, Spreiz- oder Plattfüße?«
»Äh …?«
»Was ich wissen will, ist: Benötigen Sie spezielle Einlagen für Ihre Dienstschuhe?«
»Nein.«
»Gut! Das wäre erledigt. Ich begleite Sie jetzt zu ihrer Unterkunft. Es ist ein kleines Ferienhaus am Ortsrand von Muglitz, welches Sie sich mit den anderen Saisonkräften teilen.«
Etwas mürrisch griff ich nach meinem Rucksack und folgte ihm aufs Deck. Na toll, eine Kellner-Herberge für die Service-Matrosen des Todes!
»Sind Sie im Zug oder mit dem Auto angereist?«
»Mit Mokkaböhnchen«, erwiderte ich.
»Mit wem?«
»Nein! Ich bin alleine angereist, auf meiner Vespa. Einem Original, wissen Sie …«
Seine Mimik verriet sein Desinteresse an meinem Reisebericht. Dann wendete er sich ab und lief über die Landungsbrücke den Steg entlang zu seinem Wagen.
»Ich fahre voraus«, rief er mir zu, bevor er ins Auto stieg. »Und dass Sie mir genügend Abstand von meinem Stoßfänger halten mit diesem Ding da.«
»Vespa«, wispelte ich wütend in mich hinein. Dieses Ding ist eine Vespa! Ich nahm den Helm vom Lenker, setzte ihn auf und startete Mokkaböhnchen. Doch irgendwas war anders. Der Blick in den Rückspiegel ließ mich erstarren. Nein! Das darf nicht wahr sein! Vorsichtig drehte ich mich um. Verdammte Scheiße! Meine Reisetasche war mitsamt der Halterung verschwunden. Und mit ihr meine besten Klamotten, meine geliebte Gucci-Sonnenbrille und mein Tagebuch. Irgendein Insulaner trug jetzt also einen Kuckuck auf der Sonnenbrille – ein Dieb, der nicht einmal vor dem Staatssiegel haltmachte.
Wie ein Hexenhäuschen mit kleinem Vorgarten wirkte die Unterkunft, die sich am Ende der Ortschaft zwischen einigenBäumen versteckte, aber dennoch nur wenige Meter vom Strand entfernt war. Gewiss ein Scherz, dachte ich anfänglich. Doch der Serviceleiter stieg aus seinem Auto und lief geradewegs durch das Gartentor des neuzeitlichen Knusperhäuschens im Rügen-Stil. Ich nahm den Helm ab und sah mich um. Einige Meter entfernt spielten Kinder mit einem Ball. Ihr Lachen hallte durch die kleine Inselgasse und hob meine schlechte Laune etwas. Das Grün der Blattkronen spendete dem Haus Schatten. Dennoch kämpften sich wenige Sonnenstrahlen hindurch, auf denen winzige Staubteilchen tanzten. Ich atmete tief die salzige Luft ein, die vom Meer herüberdrang, und versuchte nicht an den Raub meines Besitztums zu denken. Aber irgendwie funktionierte das nicht. Was um alles in der Welt sollte ich am nächsten Tag anziehen? Ich brauchte dringend eine Notlösung oder besser einen Billigladen, der von String bis Rollkragenpullover alles im Sortiment hatte. Jedenfalls für die Zeit, bis Richard mir Klamotten von daheim nachgeschickt hatte.
»Gibt es ein Problem, Frau Waldmann?«, rief der Serviceleiter aus einem der oberen Fenster. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen gerne noch die anderen vorstellen, bevor ich wieder fahre.«
Ein Problem? Eher ein Desaster! »Ich komme, Herr Brömme«, rief ich und eilte ins Haus. Nur gut, dass ich die wichtigsten Utensilien beim Vorstellungsgespräch im Rucksack bei mir hatte und mein Uralt-Vespa-Helm dem Dieb offenbar nicht zugesagt hatte. Aber noch mal wollte ich kein Risiko eingehen. Ich stürmte, meinen geliebten Helm krampfhaft in der Hand haltend, die Treppe hinauf.
»So, da bin ich schon«, kündigte ich mich mit einem aufgesetzten Grinsen an. Richard sagte immer: Egal, was auch passiert ist, die Show muss weitergehen. Bitte lächeln also.
Eine reifere Dame musterte mich, eine weitere trat auf mich zu. »Hi, ich bin Claudia.«
»Rapunzel«, antwortete ich, ohne mir über die Folgen Gedanken zu machen.
»Rapunzel?«, fragte sie erstaunt.
Doch noch ehe ich mich erklären konnte, reichte mir ein gutaussehender Latino die Hand. »Cool! Ich bin Antonio.«
»Nein, ich heiße eigentlich …«
»Jessica Waldmann«, berichtigte der Serviceleiter und fügte kopfschüttelnd hinzu: »Wer kommt denn nur auf so bescheuerte Spitznamen?«
»Bescheuert? Moment
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