Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Oldie mit abgelaufenem Verfallsdatum.«
»Ich finde sie superpraktisch. Und wenn du unsere Freundschaft nicht überstrapazieren möchtest, dann hörst du endlich mit dem Genörgel auf und schickst mir einfach ein paar neue Klamotten zum Anziehen.«
»Okay, was brauchst du?«
»Alles! Vom Schlüpfer bis zum Schlafanzug. Und bitte schnell, per Eilkurier.«
»Ist quasi schon unterwegs zu dir.«
»Danke, Rich. Da ist aber noch etwas.«
»Hast du etwa deine Antidepressiva vergessen?«
»Haha, sehr witzig. Nein, ich muss meine Haare abschneiden lassen.«
»Das war dein bester Witz heute!«
»Im Ernst! Das ist eine Bedingung für den Job.«
»Dann pfeif auf den Job!«
»Das kann ich nicht! Ich brauch das Geld.«
»Na gut! Wie du willst!«
Ein Tuuuuut signalisierte mir, dass Richard aufgelegt hatte. Einfach so. Offenbar war ihm die Nachricht über meine borduntaugliche Haarlänge mehr als nur auf den Magen geschlagen. Ich starrte noch einige Sekunden aufdas Mobiltelefon in meiner Hand und überlegte, ihn erneut anzurufen und eine Erklärung zu fordern, aber tat es nicht. Stattdessen zog ich mich aus, warf mich auf das Bett und schlief mit dem Gedanken ein, Richard würde sich gewiss wieder einkriegen und gleich zurückrufen.
Ein umfallender Gegenstand weckte mich. Erschrocken fuhr ich hoch. Was war das? Ich blinzelte im düsteren Zimmer umher, konnte aber nichts erkennen. Dann hörte ich Schritte, die sich näherten.
»Wer ist da?«, fragte ich ängstlich, während ich unter meiner Decke nach dem Handy tastete.
»Dieses verdammte Viech«, fluchte mein Zimmergenosse Antonio.
»Welches Vieh?«, fragte ich, erleichtert, seine Stimme zu hören.
»Die verdammte Katze! Die ruiniert mir noch meine ganze Fotoserie.«
Ich knipste meine Nachttischlampe an und rieb meine Augen. »Du bist Fotograf?«
»Nein, Model.«
Jetzt erst erkannte ich seine formschönen Gesichtszüge, die sich im Schein des Lichts abzeichneten. Er sah fantastisch aus, und er roch auch verdammt gut. »Du präsentierst Designerklamotten auf dem Laufsteg?«, bohrte ich neugierig weiter.
»Schön wär’s. Bisher bin ich nur bis zur Werbung von Aftershave durchgedrungen.«
Ein Wow donnerte durch meinen Kopf und ließ mich sofort an die erotischste aller Werbekampagnen denken: Cool Water! O ja, welche Frau könnte sich daran nicht erinnern, an diesen braungebrannten Muskelprotz, der so ganz ohne Höschen aus dem Meer heraussprang und fürSekunden das weibliche Geschlecht in eine Art Fern-Ekstase versetzte. »Was für ein Mann!«, plauzte ich mit meinen Gedanken heraus.
»Danke!«
Gott! Habe ich das etwa laut gesagt? »Ich, ich …«
»Ich bekomme ständig Komplimente, am Set und auf meiner Page, weißt du.«
»Du hast eine eigene Internetseite?«
»Muss man doch, um dauerhaft im Geschäft zu bleiben. Willst du mal sehen?«
Klar wollte ich das, nur hatte ich anstelle meines wolligangerauten Kuschelschlafanzugs immer noch meine Reise-Unterwäsche an. Also kein guter Moment, dem temperamentvollen Spanier auf die Pelle zu rücken. »Ich kann nicht.«
Er warf seinen Laptop aufs Bett und startete ihn. »Komm schon, ich beiße nicht.«
»Aber ich habe kein Schlafzeug«, beteuerte ich meinen Willen.
»Ja und? Nun mach schon.« Dabei tippte er auf der Tastatur herum.
»Ich kann so aber nicht.«
»Soll ich dir ein Shirt borgen?«, fragte Antonio.
»Lieber ein Herrenhemd, wenn du hast.« Das war gewiss länger, und man konnte es vorne an der Knopfleiste zuknoten. Das hatte ich jedenfalls schon oft im Fernsehen gesehen, in Seifenopern und Liebesfilmen.
Er nickte und warf mir ein schwarzweißkariertes Teil entgegen, das ich mir sofort überstreifte.
»Ein wenig zerknittert und viel zu groß«, kommentierte er meine unfreiwillige Modenschau. Und als sei das nicht schon peinlich genug, begann er daran herumzuzupfen.
»Lass das!«, wehrte ich mich lautstark gegen seine Anzüglichkeit.Immerhin kannte ich ihn kaum. Er wich zurück und warf sich auf sein Bett. »Keine Panik! Du bist eh nicht mein Typ.«
Ich entsprach also nicht seinem Geschmack, was mich etwas lockerer werden ließ. Dennoch zerrten seine Worte an meinem weiblichen Ego. Pah, nicht sein Typ! Etwas distanziert beugte ich mich über seinen Rechner. Vielleicht konnte ich mich ja für die ziemlich uncharmante Beurteilung meines Aussehens revanchieren und das eine oder andere Foto auf seiner Model-Homepage zerpflücken. Entgegen meiner Erwartung wirkte jedes einzelne wie die
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