Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
mal! Mein Spitzname ist nicht bescheuert! Ich spiele das Rapunzel an der Berliner Schauspielschule. Und deshalb …«
»Ihre Hobbys interessieren mich nicht«, unterbrach mich Brömme unsanft. »Erst recht nicht Ihr Spitzname.«
Hobby? Was hat der denn zum Frühstück gegessen? Sauer eingelegte Matrosen? »Sorry, aber Theater ist mehr als nur ein Hobby für mich«, verteidigte ich meinen zukünftigen Berufsstand. Und mir war völlig egal, mit welchen Konsequenzen.
»Sein oder Nichtsein, das ist doch letztendlich die Frage«, argumentierte der Serviceleiter mit einem sarkastischen Feixen. »Und realistisch gesehen sind Sie zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Servicekraft auf Probe.«
Der Schlag hatte gesessen. Dieser Brömme schien giftiger als eine Mamba zu sein. Und er biss hinterrücks zu. Ich setzte die fröhlichste aller Mienen auf und nickte ihm zu. »Natürlich, Sie haben vollkommen recht, Herr Brömme. Und ich freue mich schon auf meine neuen Aufgaben an Bord.«
Eine Viertelstunde später war Brömme verschwunden und das kleine Haus wieder giftfrei. Und auch die wortloseDame taute mehr und mehr auf. Mit ihren listigen Augen verfolgte sie jeden meiner Schritte. Ohne großartig darüber nachzudenken, trat ich ihr entgegen und fragte, ob es schon eine Zimmeraufteilung gäbe.
»Selbstverständlich«, erwiderte sie und zeigte auf eine der Türen. »Es gibt zwei Schlafräume mit jeweils zwei Betten. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Ihrigen.« Nicht ahnend, was mich erwarten würde, folgte ich.
»Die hintere Hälfte des Zimmers ist Ihre«, erklärte sie mir freundlich. »Und Ihre Sachen können Sie in diesem Schrank dort verstauen.«
»Und Sie schlafen dort drüben?«, fragte ich, auf das andere Bett weisend.
»Nein. Dort schläft der junge Spanier.« Sie lachte. »Übrigens, ich heiße Ortrud.«
»Angenehm, Jessica. Aber eigentlich nennen mich alle Rapunzel.«
»Ein lustiger Name«, antwortete sie. »Und angesichts Ihrer Haare sehr passend.«
»Ja, das ist er wohl. Nur leider müssen die auf eine bordübliche Länge geschnitten werden.«
»Ja, ich kenne die Vorschriften. Ich trage meine Haare daher auch etwas kürzer als früher.«
»Sie arbeiten schon länger auf dem Schiff?«
»Die fünfte Saison. Vorher war ich im Büro des Bestatters tätig, das damals noch vom Seniorchef Friedrich-Gustav von Pfaffenhof geführt wurde.« Sie seufzte. »Ach ja, seither hat sich viel verändert. Ach, lass uns doch bitte du zueinander sagen, das ist wesentlich familiärer.«
Das Auspacken meiner persönlichen Sachen dauerte nur einige Minuten. Im hölzernen Schrank gähnte Leere. Genug Platz für meine Wäsche, mit der sich gerade irgendeinanderer kleidete. Ich setzte mich aufs Bett und wählte die Nummer von Richard.
»Na endlich!«, jubilierte er erleichtert. »Und? Erzähl schon, wie ist es?«
»Das Schiff ist toll«, begann ich. »Aber die Unterkunft …«
»Was ist damit?«
»Es ist ein kleines Haus mit Reetdach, direkt am Meer, das ich mir mit drei anderen Servicekräften teile.«
»Wow! Ein echtes Feriendomizil also und eine Servicekraft-WG – wie schön.«
»Irgendwie schon.«
»Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Sag schon, wie sind die anderen?«
»Nett und gemischt.«
»Gemischt?«
»Zwei Frauen und ein Mann. Wobei ich mir mit Letzterem ein Zimmer teilen muss.«
Sekunden der Stille folgten. »Richard? Bist du noch dran?«
»Die zwingen dich, mit einem fremden Kerl zusammen zu schlafen?«
»Nur in einem Zimmer, Richard. Nicht zusammen.«
»Das ist ja unglaublich! Wie können die nur …«
»Ist doch egal! Da ist noch ein viel größeres Problem.«
»Was? Größer als das Zusammenwürfeln unterschiedlicher Geschlechter?«
Ich atmete tief ein. »Meine Klamotten sind weg.«
»Wie weg? Weg im Sinne von …«
»Geklaut«, brachte ich es kurzum auf den Punkt. »Und mitsamt der Reisetasche und Halterung.«
»Und deinem Motorroller, hoffe ich.«
»Richard! Natürlich nicht!«
»Was denn? Versicherungstechnisch wäre das die bessere Variante. Aber die Diebe waren offenbar Kenner und wollten sich nicht mit einem Invaliden-Zweirad davonstehlen, für das sie beim Schrotthandel eh nur einen Lutscher bekommen hätten.«
»Du bist echt gemein!«
»Nur ehrlich, Schätzchen. Vom Versicherungsgeld hättest du dir wenigstens ein Fahrrad mit Elektromotor kaufen können.«
»Was hast du eigentlich gegen Mokkaböhnchen? Sie ist zuverlässig und ein echtes Original.«
»Ein rußender
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