Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
nicht gefallen wäre, als Assistentin der Stasi auf Rügen. So war sie einfach nur Ortrud.
Die Wellen schlugen gegen den Schiffsrumpf, als wir die Landungsbrücke gutgelaunt hinunterliefen. Ich hatte mich mittlerweile auch an meine Arbeit in der Küche gewöhnt und ersetzte fast vollkommen den Koch, der noch immer in der Reha war. Ottfried von Pfaffenhof war vollends zufrieden mit seiner Service-Crew, die Sarah komplettierte.
»Hast du Lust auf einen Abstecher ins Café?«, fragte mich Sarah. »Claudia hat heute keine Zeit, und Ortrud muss noch Besorgungen machen.«
Da Hendrik gewiss noch unterwegs war, hatte ich nichts dagegen. Wir fuhren auf Mokkaböhnchen ins nahe gelegene Putbus. Das italienische Flair dieser Stadt verzauberte mich jedes Mal aufs Neue.
Sarah zeigte auf ein Café, das sich schlichtweg Künstler-Café nannte. »Guck mal, die Tische«, rief sie begeistert.
Tatsächlich staunte ich nicht schlecht, als wir uns an einen übergroßen Tortenboden setzten, anstatt eines normalenTisches. »Das nenne ich doch mal kreativ«, murmelte ich entzückt und griff mir die Kaffeekarte, die in einer Plastikerdbeere steckte, die wiederum in einem künstlichen Pudding lag. Ich flog mit den Augen über die Preise und stellte fest: Auch Künstler waren Kapitalisten. Mehr als zwei Cappuccino konnte sich hier kein Otto-Normalverdiener leisten. Wir bestellten beim Meister persönlich und bekamen zum heißen Getränk noch ein Lächeln samt Telefonnummer. Baggerte der uns etwa an? Ich war mir nicht sicher, ob ich mich ärgern oder geehrt fühlen sollte. Immerhin war er ein begnadeter Künstler, wie man offensichtlich sah. Ich entschied mich fürs Ärgern und versuchte den lüsternen Blicken des Macho-Café-Betreibers auszuweichen.
Sarah hingegen baggerte zurück. »Genial diese Mohrenkopfhocker«, schwärmte sie los.
Gott, lass wenigstens die Toilette keine ausgeschälte Mango sein! Ich war durchaus kunstinteressiert und auch in vielerlei Hinsicht ein Liebhaber moderner Kreationen. Aber beim Klo hörte der Kunstspaß auf, da wollte ich keine Kompromisse eingehen. Während sich Sarah mächtig ins Zeug legte, verschwand ich dezent im inneren Teil des Cafés, auf der Suche nach dem gewissen Örtchen. Fasziniert blieb ich vor einem riesigen Wandgemälde stehen, das ein Porträt des Künstlers zeigte. Durch seine linke Gesichtshälfte ging es für kleine Mädchen, die Rechte war den Herren vorbehalten. Ob das einen tieferen Sinn hatte? Ich dachte nicht weiter darüber nach, denn langsam drückte meine Blase so heftig, dass ich schleunigst zur Kloschüssel eilte. Und mir war völlig egal, dass der Toilettendeckel eine Nussecke war und farblich eigentlich gar nicht auf Zwetschge passte.
Nachdem ich Sarah endlich dazu hatte bewegen können, ihren Cappuccino auszutrinken, zahlte ich, und wir schlenderten die Straßen entlang. In den Schaufenstern strahlten uns die verführerischsten Dinge an, die man nur an Urlaubstagen bereit war zu kaufen. Wer brauchte schon eine Brosche mit dem Wappen seiner Stadt? Ich jedenfalls nicht, aber Touristen schon. Sie hatten diese Broschen überall an ihre Klamotten gesteckt. Selbst Strohhüte zierten diese bunten Porzellan-Schmuckstücke. Ein kleiner Junge rannte an uns vorbei, während seine Schwester kreischend stehen blieb. »Das gilt nicht!«, heulte sie hinterher.
Sarah grinste mich an. »Und? Habt ihr schon über Kinder geredet?«
Kinder? Jene Wesen, die ihre Eltern versklaven und ihnen nach und nach den Lebenssaft rauben, um ihre körperliche Hülle dann später ins billigste Pflegeheim abzuschieben? Mein Nackenhaar stellte sich auf. »Ich glaube nicht, dass wir Zeit dafür haben.«
»Um sie zu machen?«, fragte Sarah und lachte.
Da hatte Sarah einen wunden Punkt getroffen. Ich hakte sie ein. »Du hör mal, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man von ein Mal Sex schwanger wird?«
Sarah blieb stehen und starrte mich fragend an. »Ihr hattet nur ein Mal Sex?«
»Blödsinn! Natürlich nicht!«, erwiderte ich, während mir die Röte ins Gesicht schoss. »Aber ein mal eben ungeschützt, verstehste?«
»Aha!« Sarah presste ihre Lippen aufeinander und wackelte komisch mit dem Kopf.
»Was, aha?«, setzte ich nach. Dieses Kopfgewackel ging mir unheimlich auf den Zeiger, zumal ich ihre Miene nicht deuten konnte.
»Das glaube ich jetzt nicht«, sagte sie und kicherte. »Dieach so harte Jessica Waldmann, das brillanteste Rapunzel-Double von ganz Berlin will mir erzählen, dass sie
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