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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Bieling
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sich nicht an die Bienchen und Blüten erinnern kann?«
    Klar konnte ich! Nur flatterten Bienchen selten besoffen umher und bestäubten Blüten im Promillerausch! »Hör auf zu lachen, und sag mir lieber, dass das Risiko gering ist.«
    Sarah schüttelte ihren Kopf. »Da hilft nur ein Schwangerschaftstest.«
    Meine Gesichtsfarbe wechselte von blass zu kreidebleich. »Aber das bleibt unter uns«, raunzte ich sie an, um ihr kurz darauf einen Schwur zu entlocken. »Los, schwöre es!«
    Sarah kicherte immer noch, aber tat mir den Gefallen. Sie hatte auch gut lachen, schließlich war ich diejenige, in deren Bauch vielleicht eines dieser kreischenden Wesen heranwuchs, das mich dann später – wenn alles in der Erziehung gut lief – im Altenheim besuchen würde, um mir auch noch die letzten Groschen aus der Tasche zu ziehen. Ich henkelte Sarah erneut ein und lief mit ihr zur nächsten Drogerie, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen. Und ehrlich, eine bessere Beraterin hätte ich nicht wählen können. Sarah kannte sich bestens aus und klärte mich samt Drogistin über Vor- und Nachteile jedes einzelnen Tests auf.
    Keinesfalls wollte ich Hendrik unnötig in Panik versetzen. Das jedenfalls redete ich mir ein, als ich die Schachtel mit dem Schwangerschaftstest im Hause Muglitz versteckte. Nur bis der richtige Zeitpunkt für die Urinprobe gekommen ist, sagte ich mir. Bis dahin lag er hier sicher. Ortrud hatte den Küchentisch festlich gedeckt und bat mich, bis nach dem Abendbrot zu bleiben. Sie trug eine schwarze Satinbluse, die wundervoll zu ihrem Rock passte. Ihr angegrautes Haar hatte sie nach hinten gekämmt und mitHaarklemmen festgesteckt. Sie wirkte irgendwie frisch, trotz ihrer Trauer. »Nun setzt euch mal alle«, begann Ortrud ihre Ansprache. Sie erhob ihr Teeglas. »Ich habe Harrys Haus verkauft und seine Kinder ausgezahlt.« Dann seufzte sie auf, während wir ihr gespannt lauschten. »Und ja, ich habe sie danach zum Teufel gejagt.« Ortrud drehte sich um und nahm ein Formular vom Küchenbüfett. Sie hielt es in die Höhe. Alle starrten darauf, aber niemand traute sich, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Dann legte sie es vor uns auf den Tisch und tippte mit ihrem Finger darauf. »Mit dem Anteil vom Haus meines Mannes habe ich dieses Haus hier gekauft. Aber für euch wird sich dadurch nichts ändern. Ihr seid Teil dieses Hauses und jederzeit willkommen.«
    Ich blickte zu Sarah und Claudia, die noch immer mit offenem Mund dasaßen. Damit hatte keiner von uns gerechnet. »Gratuliere dir«, stammelte ich, stand auf und drückte Ortrud.
    Claudia erhob sich ebenfalls. Aus ihren Augen rannen kleine Tränen. »Komm her und lass dich umarmen«, sagte sie und umklammerte Ortrud und einen Teil von mir.
    Sarah kam auch hinzu und presste sich an uns.
    Ich musste schmunzeln und an eine alte Parole denken: Proletarier aller Länder vereinigt euch! Nur dass es sich in unserem Fall um Proletarier des Todes handelte.
    Dass ich verspätet nach Hause kam, störte Hendrik wenig. Er saß über seinen Tagesberichten und fügte jedes noch so winzige Detail hinzu. Fersenamputation? Ich drückte ihm ein Küsschen auf die Wange und überlegte, welcher seiner tierischen Patienten wohl jetzt ohne Ferse durchs Leben hinkte.
    »Hast du Hunger?«, fragte ich der Ordnung halber, obwohlich hoffte, dass er schon gegessen hatte. Frau Dämon erzählte uns Mädchen immer, dass wir später mal gut für unsere Männer sorgen müssten. Was sie damit meinte, war, ihre Socken und Mäuler zu stopfen, den Haushalt zu führen und – wenn man nicht gerade auf der Entbindungsstation lag – ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Nach dem Schema von Frau Dämon waren wir also heranwachsende Konkubinen, die nur dafür lebten, später vom Gemahl gebraucht zu werden. »Aber hallo!«, sagte ich mir damals schon. Wo bitte war denn da die Emanzipation? Jedenfalls stand die nicht auf dem Lehrplan von Frau Dämon. Und seither hatte ich so meine Probleme mit der Rollenvergabe zwischen Mann und Frau.
    Hendrik legte den Stift aus der Hand und blickte mich an. »Was hältst du von einer Pizza?«
    Pizza klang nach wenig Arbeit. »Klar«, sagte ich spontan und rannte den Pizza-Flyer holen. Die Atomica-Gourmet-Familien-Pizza klang nicht nur nach wenig Arbeit, sie klang auch noch nach Satt-ohne-Ende. Eine riesige Scheibe, auf der man tanzen konnte.
    »Wir nehmen die da«, sagte ich und tippte auf das Angebot der Woche. Immerhin nur fünfzehn Euro für sage und

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