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Rasant und Unwiderstehlich

Rasant und Unwiderstehlich

Titel: Rasant und Unwiderstehlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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coolere, beherrschtere Version ihrer selbst werden. Aber sie hatte sich nicht einmal zwei Monate halten können. Waverly war nichts als ein kurzer Abschnitt in ihrem Leben. Eines Tages würde sie eine ächzende alte Dame in einem ächzenden alten Schaukelstuhl sein, mit Brüsten, die ihr bis auf die Knie hingen, und würde sich vielleicht gar nicht mehr daran erinnern, dass sie je auf dem Internat gewesen war.
    Jenny spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und ihr die Kehle zuschnürten. Wie könnte sie jemals vergessen, wie Easy sie gezeichnet hatte? Oder wie Julian sie auf der Farm geküsst hatte? Oder die Maniküre-Abende mit Brett? Doch in diesem Moment waren jene Ereignisse überschattet von der dunklen Wolke namens Tinsley Carmichael. Für Jenny war es unbegreiflich, was Tinsley da veranstaltet hatte, aber noch unbegreiflicher war die Vorstellung, dass Tinsley sie abgrundtief hassen musste, um diese Show abzuziehen. Es fühlte sich grässlich an, so gehasst zu werden.
    Jenny setzte sich auf den Deckel ihres übervollen Koffers und versuchte, die Schlösser zuschnappen zu lassen. Sie wusste nicht, wieso sie sich zu dem Schuldgeständnis hatte hinreißen lassen, aber eine unglaubliche Erleichterung hatte sie gepackt, als sie aus Dekan Marymounts Büro gestürzt war. Sie war frei . Sie musste sich keine Gedanken mehr machen, wer was über sie sagen könnte oder welche dunklen Mächte sich gegen sie verschworen.
    Als es an der Tür klopfte, wirbelte sie herum. War etwa Tinsley oder Callie gekommen, um sich über sie lustig zu machen, während sie packte? Stattdessen lehnte Easy am Türrahmen, die Hände in die Taschen seiner ausgewaschenen Cargos geschoben. Seine dunklen Locken fielen ihm in die Stirn.
    »Du gehst also wirklich?«, fragte er leise. Sein Blick glitt durch das Zimmer und blieb an dem abgezogenen Bett hängen. Jenny hatte die weichen Laken bereits in die Reisetasche gestopft, zusammen mit der kratzigen hellblauen Decke, die ihr Vater ihr mitgegeben hatte.
    »Ich bin schließlich geflogen«, sagte Jenny sachlich. »Ende der Vorstellung.«
    Easy kratzte sich den Nacken. Sie spürte, dass er sie ansah, drehte sich jedoch weg, um sich auf die Kofferschlösser zu konzentrieren, die doch bitte schön zuschnappen sollten. »Ja, aber …« Er ließ den Satz unvollendet und Jenny wartete ab. »Aber du hast doch nichts mit dem Feuer zu tun gehabt, stimmt’s?«
    Jenny antwortete nicht, aus Angst, ihr würde die Stimme versagen. Sie hielt den Blick nach unten auf den Koffer gerichtet, damit ihr Gesicht ihre Gefühle nicht verriet. Es war nett von Easy gewesen, den Versuch zu machen, sie gegen Tinsley zu verteidigen – das rechnete sie ihm hoch an, wirklich. Aber es war zu wenig gewesen und zu spät gekommen.
    »Hey«, sagte Easy. Jenny dachte schon, er wolle sie auffordern, ihn anzusehen, doch da hörte sie Bretts Stimme »hey« sagen. Die Schlösser des Samsonite schnappten endlich ein, und Jenny griff nach ihrer L.L.Bean-Tasche, die ihr Vater ihr geschickt hatte. Er hatte sie mit einem Monogramm mit den Buchstaben JAH versehen lassen, obwohl Jennys zweiter Vorname Tallulah war. Aber er hatte sie beruhigt, dass ihre Reggae liebenden Kiffer-Freunde den Witz schon verstehen würden, auch wenn Jenny ihn selbst nicht verstand. Sie stopfte ihre bunten Socken in die Tasche, froh, dass sie ihre Unterwäsche und die übergroßen Oma-BHs schon eingepackt hatte, ehe jemand gekommen war.
    »Gott, Marymount grinst wie ein Maikäfer. Als hätte er den Kennedy-Mord gelöst oder so was.« Brett stieß die Luft aus. Ihre Stimme klang unbekümmerter, als ihr unglücklicher Gesichtsausdruck vermuten ließ.
    Jenny presste die Lippen zusammen. »Gut«, sagte sie nur.
    Alison tauchte plötzlich hinter Brett auf. »He!«, stieß sie hervor, als sie Jenny packen sah. »Meinst du das ernst ?« Sie drängte sich ins Zimmer. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    Jenny zuckte die Schultern und starrte Alison hilflos in die besorgten mandelförmigen Augen. Mehr konnte sie nicht tun, sonst hätte sie das halb leere Zimmer mit Tränen überschwemmt. Auch wenn sie sich noch so sehr vom Gegenteil hatte überzeugen wollen, in Wahrheit liebte sie diese Leute, und sie liebte das Internat.
    Brandon drängte sich durch die Tür und es wurde noch enger im Zimmer. Der leichte, frische Duft von Acqua di Gio erfüllte den Raum. »Geh nicht«, sagte er mit leiser, liebevoller Stimme zu Jenny, sodass sie auf einmal den Wunsch verspürte, ihn

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