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Rasheed, Leila

Rasheed, Leila

Titel: Rasheed, Leila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rueckkehr nach Somerton Court
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in den Sinn kam, war Ravi, und sie musste den Namen am Ende des Briefs dreimal lesen, bevor sie begriff: Der Heiratsantrag kam von Douglas Varley.
    »Douglas Varley?« Was hatte das zu bedeuten? Sie drehte das Blatt um, als stünde vielleicht auf der Rückseite eine Erklärung. Schrieb Varley etwa im Namen seines Protegés? Aber nein, wie hätte sie so etwas auch nur annehmen können? Männer heiraten die Mädchen nicht, die sie küssen. Bei diesem Gedanken war es Ada, als bohrte sich ein Messer in ihr Herz. Dann erst kam ihr in den Sinn, dass eine Ehe mit Ravi sowieso unmöglich wäre, selbst wenn er in dem Moment, in dem sie sich ihm hingegeben hatte, nicht allen Respekt vor ihr verloren hätte. Zwischen ihr und Ravi lagen Welten, in jeder Hinsicht. Sie zwang sich, den Brief noch einmal genau zu lesen.
Meine liebe Lady Ada,
vielleicht sind Sie überrascht, ein solches Schreiben von jemandem zu erhalten, den Sie zweifellos als einen Fremden betrachten. Durch meine langjährige Freundschaft zu Ihrem Vater kann ich jedoch den Anspruch auf eine Verbindung zwischen uns erheben. Ich möchte gleich zur Sache kommen: Ich habe die Ehre, Sie um Ihre Hand zu bitten. Ich werde bei der Hochzeit Ihres Vaters zugegen sein und erwarte dann Ihre Antwort.
Ich hoffe, der Respekt und die grenzenlose Zuneigung, die ich Ihnen entgegenbringe, werden Sie dazu bewegen, meinen Antrag anzunehmen und meine Frau zu werden, so dass die Bande zwischen unseren Familien noch enger werden.
    Nur ein paar Zeilen, geschäftsmäßig und knapp. Als wolle er ein Pferd kaufen, dachte sie und zerknüllte das Blatt in der Faust.
    Sie stand auf und lief hin und her, ohne etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Der Antrag kam für sie aus heiterem Himmel. Douglas Varley kannte sie doch gar nicht. Er hatte keine drei Worte mit ihr gewechselt. Aber – und bei dieser Erkenntnis blieb sie abrupt stehen – er kannte ihren Vater.
    Sie strich den Brief wieder glatt und las ihn noch einmal. Diesmal erfasste sie die Bedeutung zwischen den Zeilen. Ja, es klang, als gäbe er ein Gebot für ein Pferd ab – oder für einen Sitz im Parlament. Und so sah der Handel aus: Varley bekäme eine Gattin und würde sich als Gegenleistung dafür einsetzen, ihren Vater zu rehabilitieren.
    Tief in Gedanken versunken, stand sie da. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, ließen ihr Haar schimmern wie Bronze. Sie konnte wieder das Getuschel über ihren Vater hören, das sie in Indien mitbekommen hatte – von Feigheit, Ehrlosigkeit war die Rede –, und wurde todtraurig. Ihr Leben lang hatte sie voller Stolz zu ihrem Vater aufgeblickt. Sie hatte ihn für den perfekten Gentleman gehalten: aufrecht und grundanständig, und sein Rücktritt vom Posten des Vizegouverneurs war für sie so gewesen, als bräche etwas zusammen, was sie für genauso unvergänglich und zutiefst britisch gehalten hatte wie das Parlament oder den Tower. Sie wusste, dass die Gerüchte nichts als Lügen waren, trotzdem trafen sie Ada in ihrem Innersten. Sie würde alles tun, um ihrem Vater in den Augen der Welt wieder zu Recht und Ehren zu verhelfen.
    Aber Douglas Varley! Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Er war mindestens vierzig. Könnte sie einen solchen Mann lieben? Könnte sie sich überwinden, es zu versuchen? Sie konnte sich unmöglich vorstellen, ihn zu küssen – sofort musste sie wieder an Ravi denken. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Sie wandte sich vom Fenster ab und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Der junge Inder hatte ganz offenbar eine schreckliche Macht über ihr Herz, und das flößte ihr Angst ein. Es war unrecht von ihr gewesen, ihn zu küssen, aber jetzt hatte sie die Chance, alles wiedergutzumachen und zu tun, was von ihr erwartet wurde. Jetzt konnte sie ihre Pflicht gegenüber ihrem Vater und ihrer Familie erfüllen. Sie brauchte nur Douglas Varleys Antrag anzunehmen und könnte ihren einmaligen, beschämenden Ausrutscher vergessen.
    Varley wird dir nie erlauben, nach Oxford zu gehen , flüsterte eine innere Stimme. Aber verdiente sie das nach ihrem schockierenden Verhalten überhaupt? Und … könnte sie in Ravis Nähe überhaupt auf ihre eigene Standhaftigkeit vertrauen? Wenn sie sich vorstellte, ihn wiederzusehen, schoss ihr die Röte ins Gesicht. »Ich will keine Sekunde länger an so etwas denken!«, rief sie laut, sprang auf und lief zur Tür. Sie brauchte Gesellschaft, brauchte einen munteren, glücklichen Menschen, mit dem sie plaudern konnte,

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