Rasheed, Leila
nächsten Tag für die Abreise bereitmachten, trat Cooper auf Ada zu, die in der Eingangshalle stand, und flüsterte ihr ins Ohr, dass Douglas Varley mit ihr in der Bibliothek zu sprechen wünsche.
Ada nickte, doch ihr sank das Herz. Sie machte sich auf den Weg. An der Tür, die zum Korridor führte, lehnte Ravi. Sie wich seinem Blick aus. Sie durfte sich von ihm nicht dazu verleiten lassen, ihre Pflichten zu missachten. Zwar trat er höflich beiseite, um sie durchzulassen, aber als sie den Korridor hinunterging, spürte sie seinen Blick im Nacken brennen.
»Ich werde Douglas Varleys Antrag annehmen«, sagte sie vor sich hin, damit sie selbst daran glaubte. Ihre Stimme war klein und zittrig.
Sie nahm sich fest vor, sich nicht umzusehen, doch als sie um die Ecke bog, konnte sie sich nicht beherrschen und warf einen flüchtigen Blick zurück. Ravi sah ihr noch immer nach. Rasch wendete sie sich ab und rannte mit wildem Herzklopfen das letzte Stück bis zur Bibliothek.
Bevor sie die Tür öffnete, hielt sie erst einmal inne, um wieder zu Atem zu kommen und das Kleid glattzustreichen. Selbstverständlich würde sie Varleys Antrag annehmen. Was hatte sie denn für eine Wahl? Mit Ravi gab es keine Zukunft. Egal, was er sagte, egal, welche Gefühle er in ihr weckte, es war und blieb unmöglich. Wenn sie Varley heiratete, würde sie Ravi zumindest manchmal sehen. Vielleicht könnten sie sich weiterhin heimlich treffen …
Voller Entsetzen schüttelte sie ihren Kopf. Sie zog doch tatsächlich in Betracht, Varley kaltblütig zu heiraten mit der Absicht, ihn zu betrügen! Wie ehrlos! Was war bloß in sie gefahren? Vielleicht beging sie einen schrecklichen Fehler.
Sie konnte nicht länger zögern. Sie drückte die Tür auf, atmete tief ein und ging hinein.
Douglas Varley schüttelte die Zeitung aus, die er gelesen hatte, und legte sie beiseite. Er erhob sich aus seinem Sessel, einen selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht. Ada ertappte sich dabei, wie sie auf seinen dünnen Schnurrbart starrte und an eine tote Maus dachte. Die Erinnerung an Ravis Kuss, an seine Lippen überwältigte sie. Tief im Innersten wusste sie, wie abstoßend sie es fände, wenn Varley versuchen würde, sie zu küssen.
»Ada, ich bin sehr froh, Sie endlich allein zu sehen. Ich habe mit Ihrem Vater gesprochen.«
Jetzt war es so weit. Der Moment der Wahrheit war gekommen. Wie konnte sie im wichtigsten Moment ihres Lebens so unentschlossen sein? Dafür war Varley, wie sie seinen folgenden Worten entnahm, umso entschlossener.
»Uns steht nichts im Wege, deshalb schlage ich eine Hochzeit im Sommer vor, eine ausgezeichnete Gelegenheit, viele einflussreiche Leute zusammenzubringen …«
»Mr Varley, ich muss Sie unterbrechen«, fiel ihm Ada panisch ins Wort. »Sie stehen unter einem völlig falschen Eindruck.«
»Ach ja?« Er zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch.
Ada schluckte; sie hatte das Gefühl, ihre Stimme verloren zu haben. Doch schließlich fand sie sie wieder. »Es tut mir sehr leid, wenn ich Sie enttäuschen muss«, fuhr sie zitternd fort. »Ich habe großen Respekt vor Ihnen und fühle mich durch Ihren Antrag sehr geehrt. Aber ich kann ihn nicht annehmen.«
Jetzt war es heraus. Sie hatte es getan.
Douglas Varley starrte sie wortlos an.
»Ich bitte um Verzeihung?«, sagte er dann.
»Ich kann nicht annehmen.«
»Dann habe ich mich tatsächlich nicht verhört. Lady Ada, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass Ihr Vater gänzlich für diese Verbindung ist?«
»Ja, ich weiß.« Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu. »Aber ich kann keinen Mann heiraten, den ich nicht liebe.«
»Nicht liebe?«, wiederholte er verständnislos. »Verehrteste, Sie werden ein Haus am Eaton Square haben. Überlegen Sie es sich.«
»Ich habe es mir überlegt.« Ärger stieg in ihr auf.
»Offenkundig nicht. Erlauben Sie mir, Ihre Vorstellungen zurechtzurücken.« Er legte seine Fingerspitzen aneinander, als setze er zu einer Rede an. »Das gesamte Geld Ihrer Stiefmutter ist an Somerton Court gebunden, von der Summe abgesehen, die bereits für ihre eigenen Kinder vorgesehen ist. Ada, Ihr einziges Vermögen besteht in Ihrem Gesicht und Ihrem Titel.«
Ada musste nicht wenig kämpfen, um ihren Ärger im Zaum zu halten. Plötzlich war sie sicher, dass sie richtig gehandelt hatte. Varley stieß sie nicht nur körperlich ab, sondern war auch ein arroganter, anmaßender Mensch.
»Es tut mir leid, aber mein Entschluss steht fest«, sagte sie. »Bitte ersparen
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