Rasheed, Leila
und hatte hastig ein Buch unter das Polster geschoben. Rose konnte eine Ecke noch hervorlugen sehen.
»Ach, Rose, Sie sind es nur.« Erleichtert zog Lady Ada ihr Buch wieder hervor, eine lateinische Grammatik. »Diese Deklinationen verwirren mich täglich mehr. Was gibt es? Sie haben jetzt doch frei, und zum Dinner muss ich mich ja erst später umkleiden.«
»Ja, Mylady … aber ich möchte mit Ihnen reden.« Rose schluckte. »Wegen der Briefe.«
Ada blickte rasch auf.
»Hat es jemand rausgefunden? Papa?«
»Nein, nein. Das ist es nicht. Ich glaube nicht, dass jemand Verdacht geschöpft hat. Aber ich fühle mich nicht wohl dabei, Mylady, das wollte ich Ihnen sagen. Ich meine … Lord Westlake bezahlt meinen Lohn. Es kommt mir nicht ganz richtig vor, ihn so zu hintergehen. An meinen Namen gerichtete Briefe von Mr Sundaresan entgegenzunehmen, die für Sie bestimmt sind. Ich weiß, wie aufgebracht er wäre, wenn er dahinterkäme. Er hält so hohe Stücke auf Sie. Ich habe ein schlechtes Gewissen, Mylady. Ich glaube, ich sollte das nicht mehr tun.« Ihr gingen die Worte und die Luft aus. Lady Ada war blass geworden.
»Werden Sie es ihm erzählen?«, brach es entsetzt aus ihr hervor. Aber als sie Roses Gesicht sah, fing sie sich sofort wieder. »Nein, nein, Rose, bitte entschuldigen Sie. Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Ich weiß, dass Sie mich nie verraten würden.«
»Niemals, Mylady.« Rose machte einen Schritt auf sie zu und sagte flehentlich: »Nie im Leben. Aber mir ist nicht wohl in der Rolle, die ich dabei spiele. Wenn Lord Westlake wüsste, dass Sie Liebesbriefe bekommen und vielleicht – ich weiß ja nicht, Mylady – vielleicht etwas Törichtes planen …«
»Aber davon kann keine Rede sein.« Auch Adas Stimme hatte nun einen flehentlichen Ton. »Wir haben beileibe nicht vor, miteinander durchzubrennen. Wir sind nur Freunde.« Errötend wandte sie das Gesicht ab, um sich Roses Blick zu entziehen.
»Das ist wahr!«, beteuerte sie, obwohl Rose keinen Ton von sich gegeben hatte. »Unsere Beziehung ist rein platonisch. Er wird mir helfen, nach Oxford zu kommen, das ist alles.« Sie sprang auf und lief mit gequältem Gesicht hin und her. »Rose, begreifen Sie nicht? Ich weiß, dass es ungehörig ist und sogar skandalös. Ich weiß, dass alle, die ich kenne und achte, sich entsetzt von mir abwenden würden, wenn sie wüssten, was ich da tue … Aber ich habe das Gefühl, das ist die erste aller meiner Freundschaften, die ich selbst geschlossen habe, die wirklich ganz die meine ist.« Sie stellte sich ans Fenster und sah durch die regenblinde Scheibe hinaus. »Manchmal ist mir, als würde jeder Gedanke, jedes Gefühl am Abend vorher von anderen Menschen für mich bereitgelegt, genau wie meine Kleider. Aber das hier … das fühlt sich echt an. Echter als alles, was ich jemals zuvor erlebt habe. Und ich möchte so wahnsinnig gern herausfinden, ob etwas daraus wird, verstehen Sie das nicht? Ich möchte wissen, was passiert, wenn ich meinem Herzen folge.«
»Ich verstehe sehr gut, Mylady«, sagte Rose sanft.
»Aber wenn Sie mir nicht helfen wollen … wer hilft mir dann? Ich kann hier niemandem sonst vertrauen.« Ada sah Rose in die Augen. »Rose, ich möchte nicht, dass Sie gegen Ihr Gewissen handeln. Aber wollen Sie es sich bitte noch einmal überlegen? Ich brauche Ihre Hilfe, und ich bin bereit, auch Ihnen zu helfen. Ach, schauen Sie mich doch nicht so an. Ich meine nicht mit Geld, dafür kenne ich Sie zu gut, denke ich. Aber gibt es nicht etwas anderes, was Sie sich wünschen? Wovon Sie immer geträumt haben? Etwas, wobei ich Ihnen helfen könnte, es zu erlangen?«
Rose stand ratlos da. Eben noch hatte sie sich gefühlt wie in einer Falle. Jetzt hatte sich das Blatt plötzlich gewendet, sie hatte einen Wunsch frei, aber ihr fiel überhaupt nichts ein, was sie sich wünschen könnte. Nichts jedenfalls, was Lady Ada ihr geben könnte. Bilder von bunten Federn, Dschungelgeräusche zogen ihr durch den Kopf. Da hörte sie in der Ferne jemanden Tonleitern üben. Auf dem Klavier.
Sie lächelte. »Nun ja … etwas gäbe es schon, Mylady. Wenn Sie mir es mir vielleicht möglich machen könnten …«
»Und sind Sie sicher, dass das alles ist, was Sie möchten?« Ada sah sich im Musikzimmer um. »Zeit, Klavier zu üben?«
»Das ist alles, Mylady. Ich weiß, ich maße mir da etwas an. Ich möchte nicht, dass Sie glauben, dass ich mich wichtig mache …«
»Aber nein, Rose, natürlich nicht. Ich bin nur
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