Rasheed, Leila
beseitigen – und freute sich gar nicht darauf zu hören, was ihre Mutter und Mr Cooper dazu sagen würden.
Der Tisch auf der Terrasse bog sich unter den Köstlichkeiten der Jahreszeit: Wildpasteten, Schinken, Aufläufe, Schmortöpfe und Currys. Die Gentlemen langten herzhaft zu; die Ladys, eingezwängt in ihre Korsetts, hielten sich zurück.
Ada verfolgte aufmerksam die Gespräche ringsum.
»Das Wahlrecht für die Frauen ist keine Option, sondern ein Muss.« Lord Fintan beugte sich vor, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Es wird von selbst kommen, wenn Frauen einen allgemeinen Zugang zur Bildung haben.«
»Ich finde Bildung bei Frauen sehr befremdlich.« Charlotte lächelte. »Ich persönlich konnte es kaum erwarten, das Schulzimmer zu verlassen.«
Eine unschuldige Bemerkung, doch Charlotte gelang es, ihr einen ganz und gar nicht unschuldigen Ton zu geben. Lord Fintan lächelte. Er hob sein Rotweinglas und musterte sie über den Rand hinweg.
»Manche Frauen sind von Natur aus vollkommen und brauchen keine Bildung, um Esprit zu entfalten«, erwiderte er.
»Lord Fintan, denken Sie wirklich, dass Bildung für Frauen eine gute Sache ist?«, fragte Ada.
»Allerdings.« Dann fügte er noch hinzu: »Meine Schwester ist übrigens in Oxford …«
Ada hörte den Rest des Satzes nicht mehr. Georgiana, die neben ihr saß, wisperte plötzlich: »Ada, mir geht es gar nicht gut.«
Ada wandte ihr sofort ihre volle Aufmerksamkeit zu. Georgianas Gesicht war blass, sie schwankte ein wenig auf ihrem Stuhl.
»Georgie!« Sie legte erschrocken den Arm um sie. »Komm, lehn dich an mich.« Sie blickte in die Runde. »Entschuldigen Sie uns bitte – Georgiana hat manchmal diese Schwächeanfälle.«
Lord Fintan erhob sich halb und fragte: »Kann ich helfen?« Aber da war Lord Westlake schon vom anderen Ende des Tisches herbeigeeilt; er half Ada, Georgiana zu stützen. Sie setzten sie in einen der Korbsessel auf der Terrasse. Rose kam mit einem Glas Wasser angelaufen.
»Zu dumm! Jetzt geht es mir schon viel besser.« Die Farbe kehrte in Georgianas Wangen zurück. »Einen Moment lang war mir ganz schwindelig. Ich habe keine Ahnung, warum.«
»Aber ich«, sagte Lord Westlake. »Du hast dich mal wieder übernommen, wie üblich. Deine Gesundheit steht an erster Stelle, meine Liebe!« Er nahm Rose das Glas ab und setzte es Georgiana an die Lippen.
»Leg dich für den restlichen Nachmittag lieber hin.« Ada saß der Schreck immer noch in allen Gliedern. Die roten Flecken auf Georgianas Wangen, ihr rascher Atem – das erinnerte sie so sehr an ihre Mutter, bevor sie starb. Es hieß, Schwindsucht sei nicht erblich, vielleicht aber eine Schwäche der Lungen. »Ich bringe dich hinein.«
»Wenn es unbedingt sein muss.« Georgiana seufzte.
»Ich helfe euch.«
»Nicht nötig, Papa. Bleib du lieber bei den Gästen. Rose kann doch mitkommen, nicht wahr, Rose?«
»Selbstverständlich, Mylady.«
Lord Westlake trat zurück, als die beiden Frauen Georgiana aufhalfen. Langsam gingen sie ins Haus zurück.
»Es ist besser, du legst dich eine Weile hier unten auf ein Sofa und gehst erst später die Treppe hinauf in dein Zimmer.« Ada führte Georgiana in den gelben Salon und half ihr, sich auf einer Chaiselongue auszustrecken.
»Ich fühl mich wie eine Simulantin! Es geht mir schon viel besser – ich möchte mich lieber hinsetzen.« Georgiana machte Anstalten, sich aufzurichten.
»Georgie, jetzt tu doch bitte einmal, was ich dir sage! Leg dich hin und gib Ruhe! Rose holt dir noch ein Glas Wasser.«
»Ja, Mylady – und könnte ich Sie kurz sprechen? Es geht um diese kleine Sache …«
Ada bekam Herzklopfen.
»Natürlich«, erwiderte sie ruhig. Sie ging mit Rose zur Tür. Rose blickte verstohlen nach links und rechts, ob auch niemand in der Nähe war, und als sie sah, dass sie allein waren, griff sie in ihre Schürze und zog einen Umschlag hervor, den sie Ada überreichte.
»Das kam heute früh«, flüsterte sie.
Ada flog der Atem.
»Danke, Rose. Ich danke Ihnen sehr herzlich«, flüsterte sie genauso leise. Sie warf einen Blick über die Schulter. Georgiana lag auf dem Sofa und atmete gleichmäßig.
»Lady Georgiana scheint es besser zu gehen, aber könnten Sie bitte noch ein Glas Wasser bringen? Ich werde mich zu ihr setzen.«
Rose zögerte, als wollte sie noch etwas sagen, aber dann nickte sie und entfernte sich in Richtung des Dienstbotendurchgangs.
Sobald sie weg war, riss Ada den Umschlag auf. Die Worte hüpften
Weitere Kostenlose Bücher