Rasheed, Leila
oder auch nur Annie. Vielleicht würden sie sich für sie freuen, aber Rose war tief im Innersten überzeugt, dass sie wegen ihrer Vermessenheit ausgelacht würde. Ein komponierendes Dienstmädchen? Das war doch ein Unding!
»Es tut mir leid, Mylady«, sagte sie leise. »Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen und Lady Georgiana bin. Aber mir wäre es lieber, es würde kein zweites Mal vorkommen.«
Ada legte ihr die Hand auf den Arm.
»Rose! Wenn hier jemand aus Erfahrung sprechen kann, dann ich: Sie dürfen die Flamme, die Sie in sich tragen, Ihre ganz besondere, ureigene Flamme, nicht ersticken. Sie müssen sie brennen lassen. Und stolz darauf sein.«
Bei Adas leisen, eindringlichen Worten spürte Rose Tränen in ihren Augen brennen. Sie nickte. »Ich werde darüber nachdenken, Mylady. Aber jetzt – möchten Sie heute lieber die Bernstein- oder die Amethystkette tragen?«
22
»Post für dich, Ada.« Lord Westlake legte ihr einen Brief und ein Päckchen hin. Dann setzte er sich neben Fiona und begann, seine eigene Post zu öffnen.
Ada schielte gespannt auf die Sendungen, erkannte aber gleich, dass natürlich weder der Brief noch das Päckchen von Ravi stammten. Der Brief war mit Georgianas schwungvoller Handschrift adressiert. Ada legte ihn beiseite und freute sich schon darauf, ihn später in ihrem Zimmer zu lesen. Die Adresse auf dem Päckchen war in einer unbekannten, damenhaften Handschrift geschrieben. Ada nahm den Brieföffner mit dem Perlmuttgriff, zerschnitt die Schnur und entfaltete das Packpapier.
Ein Buch kam zum Vorschein: Die Frau und die Arbeit von Olive Schreiner. Ada blickte nervös auf, aber ihr Vater hatte es anscheinend nicht bemerkt. Er war in seine eigene Post vertieft. Ada schlug das Buch auf, da fiel eine Notiz heraus, auf zartviolettem Papier geschrieben und einmal gefaltet. Sie strich das Blatt glatt und las.
Liebe Ada,
hier das versprochene Buch. Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung! Ich habe auch gute Nachrichten – und einen Vorschlag. Ich habe Miss Gorman, der Direktorin des Somerville College, von Ihnen erzählt. Sie würde sich sehr freuen, Sie kennenzulernen und mit Ihnen über Möglichkeiten zu sprechen, an unserem College zu studieren. Sie ist ein Drachen, das habe ich vielleicht nicht erwähnt, und wenn sie so viel Interesse an jemandem zeigt, den sie gar nicht kennt, will das etwas heißen. Diese Gelegenheit dürfen Sie sich nicht entgehen lassen. Und das bringt mich gleich zu meinem Vorschlag: Kommen Sie mich doch besuchen! Für einen kurzen Besuch brauchen Sie keine Anstandsdame, und ich könnte Ihnen Oxford zeigen. Sie brauchen Ihrem Vater gegenüber ja nicht zu erwähnen, dass Sie auch bei Miss Gorman vorsprechen. Bitte sagen Sie ja! Ich würde Ihnen so gerne meine Zimmer zeigen, die bescheiden sind, aber mein Eigen, und in denen ich nicht glücklicher sein könnte.
Mit den herzlichsten Grüßen,
Ihre
Emily
Ada hatte kaum Zeit, der Aufregung, die in ihr aufbrandete, nachzuspüren, als Fiona, die ihre eigene Post gelesen hatte, ausrief: »Na endlich!«
Ada schrak hoch. Fiona strahlte und reichte den Brief, den sie gerade gelesen hatte, an Lord Westlake weiter. Lord Westlake legte Messer und Gabel beiseite und las. Ada fing Charlottes Blick auf. Ausnahmsweise hatten sie einmal etwas gemeinsam, dachte Ada. Charlotte tappte offensichtlich genauso im Dunkeln wie sie selbst.
»Habe ich nicht gesagt, dass ich das arrangieren kann?«, fragte Fiona stolz.
»Hast du, und du hast tatsächlich Wunder vollbracht.« Lord Westlakes Augen glänzten. Liebevoll legte er seine Hand auf Fionas.
»Was ist denn los?«, fragten Ada und Charlotte fast im Chor.
»Mutter, sag schon, was hast du arrangiert?«
»Eine Einladung zum Dinner bei den Wellingboroughs, meine Liebe«, verkündete Fiona selbstzufrieden.
»Bei den Wellingboroughs?« Charlotte verzog das Gesicht. »Du meinst doch nicht etwa dieses schrecklich langweilige Politikerpaar?«
»Sir Henry Wellingborough ist der Außenminister«, sagte Ada und strahlte übers ganze Gesicht, als ihr bewusst wurde, was das für die Karriere ihres Vaters bedeutete. »Papa, das ist ja wunderbar, das heißt, dass du Aussichten auf ein hohes Amt hast.«
»Wir können nur hoffen, meine Liebe«, erwiderte ihr Vater, doch sein Lächeln verriet, dass seine Erwartungen über bloße Hoffnung hinausgingen.
»Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies der Anfang großer Dinge ist«, sagte Fiona. »Du bist zu bescheiden, Edward. Tatsache
Weitere Kostenlose Bücher