Rasheed, Leila
erzählt.«
»Ihr Bruder …« Jetzt fiel Ada auf, warum ihr das Mädchen so bekannt vorkam. »Lord Fintan!«
»Ja, Laurence. Ich bin seine geliebte jüngere Schwester Emily.«
»Ach ja! Er hat von Ihnen gesprochen. Er sagte, Sie seien in Oxford.«
»Bin ich auch. Ich habe einen Sonderdispens, um ein paar Tage in London bei meiner Familie zu verbringen. Lady Verulam ist meine Tante«, fügte sie hinzu.
Ada hatte keine Zeit, sich zu wundern, dass Emily so bissig von ihrer eigenen Verwandten sprach. Sie setzte ihre Tasse ab und bat begierig: »Erzählen Sie mir von Oxford? Bitte? Ich … ich finde es so interessant, dass Frauen heutzutage studieren können.«
»Studieren ja, aber sie können keinen Abschluss machen. Trotzdem halte ich es für die wichtigste Erfahrung meines Lebens. Harte Arbeit, die sich aber sehr lohnt.« Ihre Augen sprühten Funken. »Wir tun etwas Entscheidendes. Das ist meine feste Überzeugung. Wir zeigen der Öffentlichkeit, dass Frauen denken können. Sie werden uns das Wahlrecht nicht länger vorenthalten können, wenn wir beweisen, dass wir genauso gut sind wie sie.«
»Genau der Meinung bin ich auch«, rief Ada. »Ich möchte auch nach Oxford. Das wünsche ich mir schon so lange.«
Emily sah sie ernst an. »Sind Sie sicher? Das Studium ist sehr anstrengend, und wir müssen wie die Nonnen leben – keine Partys, keine Bälle.«
»Ich weiß, aber das ist mir egal.« Ada dachte wieder an das kleine Mädchen. »Ich möchte einfach etwas Nützliches tun. Und unabhängig sein.«
»Haben Sie Die Frau und die Arbeit gelesen? Ich werde es Ihnen schicken. Aber jetzt können wir leider nicht mehr weiterreden.«
Ada folgte Emilys Blick und sah Charlotte quer durch den Raum auf sie zukommen. Ada erschrak, wie verärgert Charlotte aussah.
»Meine liebe Emily! Wie schön, Sie zu sehen.« Charlotte lächelte schmallippig. »Ich hatte schon gehofft, dass wir uns in der Stadt begegnen würden.«
»Und jetzt sind wir uns begegnet! Ich bin sehr erfreut, dass ich auch Ihre Stiefschwester kennengelernt habe.« Emily lächelte Ada zu.
»Und Lord Fintan?«, erkundigte sich Charlotte mit hörbarer Anspannung. »Wir waren so froh, ihn auf Somerton Court zu sehen. Geht es ihm gut?«
»Hervorragend, er ist in bester Laune.« Ada hatte keine Ahnung, warum Emilys Augen so schelmisch funkelten, als sie Charlotte ansah.
Charlotte wandte sich abrupt an Ada. »Meinst du nicht, es ist Zeit aufzubrechen? Mama sieht erschöpft aus.«
»Selbstverständlich …« Ada erhob sich aufgeschreckt.
»Ich werde Ihnen schreiben, Ada«, sagte Emily. »Wohnen Sie in der Stadt?«
»Ja, in Milborough House.« Ada verabschiedete sich lächelnd und knickste vor Lady Verulam.
»Ich bin untröstlich, dass Sie schon so früh gehen müssen«, sagte Lady Verulam ohne das geringste Anzeichen von Untröstlichkeit. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in der Stadt.«
»Danke«, sagte Ada. Fiona schien verlegen.
Als sie sich zum Gehen wandten, fügte Lady Verulam noch hinzu: »Ada, ich habe Ihnen noch gar kein Kompliment zu Ihrem eleganten Hut gemacht. Der steht Ihnen ganz hervorragend.«
Ada lächelte. »Vielen Dank.« Sie konnte es sich nicht verkneifen, mit einem listigen Blick in Richtung Charlotte und Fiona zu bemerken: »Rose, meine Zofe, hat ihn so arrangiert.«
Doch dann wünschte sie fast schon, sie hätte nichts gesagt, denn Fiona und Charlotte saßen den ganzen Heimweg schweigend und mit grimmiger Miene da.
21
Rose zog sich schnell in eine Nische zurück, als sie sich nähernde Stimmen im Korridor hörte – die Stimmen von Fiona und Charlotte.
»Ich begreife nicht, was in dich gefahren ist. Lady Verulam ist eine der einflussreichsten Gastgeberinnen, das weißt du doch! So plötzlich zu gehen, nachdem ich so viel Zeit darauf verwendet habe, eine Einladung zu bekommen …«
»Ach, Mutter, darüber haben wir doch gestern Abend schon ausführlich genug gesprochen. Sollte ich wirklich dastehen und zusehen, wie sie sich bei Lady Emily Maddox einschmeichelt?«
Rose zuckte zusammen, so giftig klang Charlottes Stimme.
»Ich weiß, ich weiß, aber …«
»Mutter, willst du, dass ich Lord Fintan heirate, oder nicht?«
Sie gingen rasch vorbei, in Richtung Frühstückssalon. Rose sah ihnen nach. Wer diese Sie auch war, Charlotte hasste sie aus tiefstem Herzen.
Rose setzte jetzt ihren Weg zu Adas Zimmer fort. Es war seltsam, in einem neuen Haus zu sein, aber auch aufregend. Die Geräusche der Stadt kamen ihr
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