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Rasheed, Leila

Rasheed, Leila

Titel: Rasheed, Leila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rueckkehr nach Somerton Court
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kurz, nur um sich gleich darauf elend zu fühlen.
    Lord Fintan zog eine Augenbraue hoch und blickte zwischen ihr und Ravi hin und her. Als der dritte Gang gebracht wurde, sagte er wie an niemanden im Besonderen gerichtet: »Ich gestehe, ich bin, was Indien anbelangt, nicht im Bilde. Aber ich sehe, das Land hat seine eigene Faszination – besonders für die Damen.«

    Rose zitterte in ihrem Mantel, als sie auf die eisige Straße hinaustraten, wo sich Kutscher und Chauffeure, die ihre Herrschaften abholen kamen, den Platz streitig machten. Es hatte angefangen zu schneien, die Flocken wirbelten herunter, schwindelerregend wie Champagnerperlen, und bevor sie schmolzen, legten sie sich für einen Moment wie Tupfen auf die Zylinder der Gentlemen. Rose hob ihnen das Gesicht entgegen. Sie erinnerte sich, wie sie sich als Kind im Schnee gedreht und getanzt hatte und dabei versucht hatte, mit der Zunge die Flocken aufzufangen. Sie war sich einiger bewundernder Blicke bewusst und lächelte, plötzlich von der Gewissheit ihrer eigenen Schönheit erfüllt. Und dann sah sie Mr Vronsky.
    Er kam aus dem Bühneneingang, von einem Schwarm Bewunderer umlagert. Der hochaufgeschossene, hagere Künstler, der mit Kopf und Schultern die Zylinder und Fuchspelze überragte, lächelte der Menge wohlwollend zu.
    Rose starrte ihn an. Sie würde kein zweites Mal die Chance haben, mit ihm zu sprechen. Es kam nicht in Frage, ihm zu gestehen, wer sie war, aber sie konnte ihm wenigstens aus tiefstem Herzen danken, auch wenn er nicht verstand, warum. »Mr Templeton, können wir mit ihm sprechen, bitte?«, brach es aus ihr heraus.
    Sebastian sah sich um. »Natürlich, warum nicht?« Er hakte sie unter und führte sie hinüber. Rose hätte es nie geschafft, sich durch die Menge nach vorn zu drängen, aber Sebastian schien sie allein durch seine Selbstsicherheit zu teilen wie mit einem Schwert.
    »Entschuldigen Sie bitte. Diese junge Dame ist ganz begierig darauf, mit Ihnen zu sprechen, Mr Vronsky – sie hat Ihr Konzert sehr genossen.«
    So kam es, dass Rose plötzlich, umringt von der Menge, vor Mr Vronsky stand und in sein Gesicht aufblickte. »Es war zauberhaft«, stieß sie hervor. »Oh, Sir, es war das Schönste, was ich je gehört habe.«
    Einige der modisch gekleideten Ladys neben ihr kicherten hinter vorgehaltener Hand, und auch die Gentlemen mit ihren seidenen Zylindern bedeckten ihre Münder, um ihr Lächeln zu verbergen. Rose verließ der Mut. Sie hatte zu viel Begeisterung gezeigt – und ach herrje, sie hätte ihn nie mit Sir anreden dürfen. Damit hatte sie sich doch ganz eindeutig als Dienstmädchen entlarvt!
    Plötzlich wurde sie sehr befangen und unbeholfen, ihr schönes, geliehenes Kleid schüchterte sie ein, sie wurde sich ihrer Hände in den Ziegenlederhandschuhen bewusst, Hände, die hart von der Arbeit waren. Sie hatte sich so sehr bemüht, sich gut zu benehmen. Hatte wenig gesagt und alles genau befolgt, was Mr Templeton ihr eingeschärft hatte … und nun hatte sie alles ruiniert.
    Sie wich zurück. Der Bann war gebrochen.
    Aber bevor sie flüchten konnte, kam die Menge hinter Mr Vronsky in Bewegung. Einer der Gentlemen hatte eine Kamera gezückt.
    »Mr Vronsky – die Presse, mit Verlaub. Darf ich ein Foto von Ihnen machen? Vielleicht wären Mr und Mrs Churchill gern mit auf der Aufnahme? Oh! Und natürlich Mr Sebastian Templeton und seine reizende Begleiterin.«
    »Sehr gern.« Mr Vronsky lächelte und trat zurück, um dem Fotografen mehr Platz zu lassen.
    »Um Gottes willen, nein …« Rose schrak zurück, aber Sebastian schob sie nach vorn. »Ich will nicht …«
    »Bitte, Rose. Für mich.«
    Sie war verwundert darüber, wie verzweifelt Sebastian Templetons Flüstern klang. Sie ließ sich von ihm ins Bild schieben, auch wenn ihr Herz vor Entsetzen raste. Sie war noch nie fotografiert worden.
    Sie versuchte, ihren Kopf wegzudrehen, doch Sebastian zog sie herum, so dass sie ihn ansehen musste. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck wilder Entschlossenheit, als nähme er allen Mut zusammen, eine heroische Tat zu vollbringen.
    Und dann, genau in dem Moment, als das Blitzlicht aufflammte, küsste er sie.
    Rose war noch nie geküsst worden. Es kam ihr vor, als wäre sie in einen Schneesturm hineingeraten. Im ersten Augenblick hatte sie keine Ahnung, was überhaupt vor sich ging. Sebastians Lippen pressten sich auf die ihren. Sie hörte Mr Vronsky etwas auf Russisch rufen und lachen. Ein Raunen ging durch die Menge. Noch mehr

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