Rasheed, Leila
Freunde zu sein.«
»Wieder ist, was Sie sagen, völlig korrekt. Ich habe kein Recht auf das, was ich empfinde.«
»Sie begreifen nicht. Ich empfinde dasselbe, aber …«
»Aber was?«, fauchte er sie an. »Aber ich bin wohl nicht die Art von Mann, die Sie sich vorstellen könnten zu heiraten. Lord Fintan dagegen …«
»Das ist nicht fair!«
Seine Augen blitzten wild. Er machte einen Schritt auf sie zu, holte Luft, um etwas zu erwidern – und plötzlich lag sie in seinen Armen, und seine Lippen pressten sich leidenschaftlich auf die ihren. Sie seufzte tief; ihr drehte sich der Kopf, sie fühlte sich wieder willenlos. Die Schneeflocken brannten auf ihrer nackten Haut, als ihr der Pelz von den Schultern rutschte. Sie spürte Ravis warme, weiche Hände liebkosend auf ihren Armen und schmiegte sich fest an ihn. Alle Vorsicht, von der sie sich den ganzen Abend hatte leiten lassen, schlug sie in den Wind. Sie hätte ihn ewig so weiterküssen mögen. Aber sie standen direkt neben der Tür, jeden Moment konnte ihr Vater heraustreten oder ihr Wagen vorfahren. Es war unerträglich, dass er sie der Gefahr, entdeckt zu werden, einfach so aussetzte, und beängstigend, welche Macht er über sie besaß, so viel Macht, dass sie sich selbst vergaß, ihre Familie, ihre Stellung in der Gesellschaft, ihre Ziele – alles außer der schrecklichen Wonne, ihn zu küssen. So konnte das nicht weitergehen.
Es gelang ihr, sich loszureißen. »Wir dürfen uns nie wiedersehen«, stieß sie mit zitternder Stimme hervor. Dann eilte sie, bevor sie es sich anders überlegen konnte, die Treppe hinunter, gerade in dem Moment, als ihre Kutsche vorgefahren kam. Wie betäubt stieg sie mit ihrer Familie ein, in ihren Augen glitzerten die Tränen wie kleine Schneeflocken. Als sie saß, lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und murmelte etwas von Kopfschmerzen.
Stella döste im Sessel vor dem Kamin und schreckte ab und zu aus dem Halbschlaf hoch. Auf die Heimkehr von Miss Charlotte zu warten empfand sie als die unangenehmste ihrer Pflichten. Als endlich unten die Tür ins Schloss fiel und sie die Stimmen der Familie in der Eingangshalle hörte, war es drei Uhr früh.
Stella sprang auf und wischte sich gerade noch rechtzeitig den Schlaf aus den Augen, als auch schon Miss Charlotte die Tür öffnete und hereinstolziert kam. Stella sah ihr sofort an, dass der Abend kein Erfolg gewesen war.
»Stella«, begann Charlotte ohne Umschweife, als sie vor dem Spiegel stand, »suchen Sie etwas, was sich gegen Ada verwenden lässt. Egal was. Irgendwann muss sie etwas angestellt haben, wofür sie sich schämen muss, niemand kann so fürchterlich unschuldig sein, wie sie es zu sein scheint. Ich will wissen, was sie auf dem Gewissen hat. Ich will ihre Geheimnisse kennen.«
Stella eilte herbei, um das Kleid ihrer Lady aufzuknöpfen und ihr den Schmuck abzunehmen. Sie war von dem Auftrag ein wenig überrumpelt, aber im Grunde nicht weiter verwundert. Dass Miss Charlotte eifersüchtig auf Lady Ada war, lag auf der Hand, aber um so damit herauszuplatzen und ihr einen solchen Auftrag zu geben anstelle von diskreten Hinweisen, musste der Hass sehr tief sitzen.
»Ich werde tun, was ich kann, Mylady.« Stella hielt inne und überlegte, ob sie Charlotte von dem Brief erzählen sollte, der ihr nur knapp entgangen war. Wäre nicht das Kindermädchen dazwischengekommen, hätten sie jetzt vielleicht genügend Beweismaterial gehabt, um zu erwirken, dass Rose auf der Stelle hinausgeworfen würde. »Und gegen ihre Zofe finde ich auch etwas – ich bin zuversichtlich, sehr bald an Informationen heranzukommen.« Sie befreite Charlotte aus ihrem Kleid und hielt ihr den Frisiermantel zum Hineinschlüpfen hin.
Charlotte winkte ärgerlich ab und ließ sich in den seidenen Umhang helfen.
»Die Zofe ist mir egal. Aber Ada will ich zerstört wissen.« Sie machte sich kaum die Mühe, das Gift in ihrer Stimme zu verbergen. »Sie sorgen einfach dafür, ja?«
»Meine liebe Fiona«, waren Mrs Verulams erste Worte, als sie am nächsten Morgen in den Salon von Milborough House trat. »Wer in aller Welt ist die geheimnisvolle Dame, um die sich Sebastians neuester Skandal rankt? Als seine Mutter wissen Sie doch bestimmt Bescheid.«
Ada sah überrascht von der Dankeskarte auf, die sie gerade an die Wellingboroughs schrieb. Auch Charlotte, die im neuesten Bon Ton blätterte, sah verwundert aus. Das Hausmädchen, das gerade den Teetisch deckte, schrak so zusammen, dass die Tasse in
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