Rasheed, Leila
einem Raum zu sein. In Anbetracht dieser Beleidigung deiner und unserer Würde hast du sicher nicht das Geringste dagegen einzuwenden, sie fristlos und ohne Empfehlungsschreiben zu entlassen.« Sie klingelte.
Rose wurde bleich. Der Salon schien sich zu drehen. »Oh, Mylady, bitte nicht!« Ihr wurde übel. Das durfte doch nicht wahr sein! Sie hatte doch nie gewollt, dass Mr Templeton sie küsste! »Bitte, wenn Sie nur Mr Templeton selbst fragen – er wird sicher erklären, dass nicht ich es war …«
»Halt den Mund, du Flittchen!«, fuhr Charlotte sie an. Rose wich zurück.
Fiona nahm Rose überhaupt nicht zur Kenntnis.
»Ich betrachte Sebastian nicht als unschuldig. Er hätte nicht so dumm sein dürfen, sich von einem so durchtriebenen kleinen Luder einwickeln zu lassen. Sie muss das seit Monaten eingefädelt haben.«
»Das stimmt nicht! Ich habe nicht …« Rose wusste, dass sie alles nur noch schlimmer machte, wenn sie etwas dagegen sagte, aber sie konnte nicht anders. Es war einfach zu ungerecht!
»Hältst du endlich den Mund!«, wiederholte Charlotte. Sie sah Ada an. »Kannst du erklären, wie sie zu dem Kleid gekommen ist? Wie ist das bitteschön vor sich gegangen?«
Ada errötete und stammelte: »Ich … ich … habe es ihr geliehen.«
Charlotte stieß ein ungläubiges Lachen aus, und Fiona rollte mit den Augen. »Ada, ich habe keine Ahnung, warum du deine Zofe so glühend verteidigst, aber bitte erwarte nicht von uns, etwas so Unerhörtes zu glauben. Nicht einmal du könntest so wenig Gespür für die Gebote des Anstands haben …«
»Aber es stimmt!«, rief Ada, durch Fionas verächtlichen Ton in Rage gebracht. »Rose ist eine sehr talentierte Komponistin und hat es genauso verdient wie jede andere Dame der Gesellschaft, dieses Konzert zu besuchen.«
»Eine talentierte …« Charlotte schüttelte den Kopf. »Ada, sie ist deine Zofe . Wie um alles in der Welt könnte sie da eine talentierte Komponistin sein? Du weißt nicht, was du sagst! Das ist ja lächerlich!«
»Ich wusste, es würde zu so etwas führen, als du sagtest, du läsest Bücher«, bemerkte Fiona kalt. »Mit dir lässt sich offensichtlich nicht vernünftig reden. Ich befehle dir, deine Zofe zu entlassen. Als deine Stiefmutter habe ich jedes Recht dazu.«
»Nein!«, schrie Ada auf.
»Ich erwarte, dass sie das Haus spätestens in einer Stunde verlassen hat«, sagte Fiona. »Komm, Charlotte. Ada, du kennst deine Pflicht.«
Sie drehte sich um und rauschte aus dem Salon, Charlotte folgte ihr.
Sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, brach Rose aus ihrer Schockstarre in Tränen aus. Von Schluchzern geschüttelt, spürte sie, wie Ada tröstlich den Arm um ihre Schultern legte. Schuldgefühle lagen wie Steine auf ihr – wie hatte sie Lady Ada nur so enttäuschen können?
»Oh Lady Ada«, stieß sie weinend hervor, »es tut mir so leid. Ich hatte keine Ahnung, dass er … sich so verhalten würde, ehrlich nicht. Ich weiß nicht, was ich getan habe, dass er sich so vergessen konnte. Und ich wusste nicht, wie ich es Ihnen sagen soll. Er hat behauptet, er wüsste nicht, was über ihn gekommen ist. Ach, ich hatte ja keine Ahnung, dass dieses schreckliche Foto in der Zeitung abgedruckt werden würde.«
Ada tätschelte ihre Schulter. »Keine Angst, Rose. Ich glaube dir. Du hättest so etwas nie absichtlich getan, und Sebastian ist dumm und rücksichtslos, er hat sich schockierend benommen, sogar für seine Verhältnisse. Er muss doch gewusst haben, dass Fotografen zugegen waren.« Sie seufzte. »Du wirst deine Stelle nicht verlieren. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde dafür sorgen, dass das nicht passiert. Und jetzt wisch dir die Tränen fort. Fiona und Charlotte sind in ihrem Stolz verletzt, und ich werde sehen, was ich tun kann, um sie zu besänftigen.«
29
Ada fühlte sich ganz zittrig, als sie den Salon verließ, um ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwester aufzusuchen. In deren Augen hatte sie einen Frevel begangen, da konnte sie zu Roses Verteidigung womöglich sagen, was sie wollte, und nichts würde Gehör finden. Aber sie musste es wenigstens versuchen.
Als sie die Eingangshalle betrat, sah sie dort einen wohlbekannten, hochgewachsenen blonden Gentleman auf und ab gehen.
»Sebastian!« Sie rannte auf ihn zu. »Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, fragte sie mit gesenkter Stimme, damit die Lakaien, die an der Tür auf ihrem Posten standen, nichts mitbekamen. »Wie konntest du das nur tun? Hast du keinen
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