Rashen - Einmal Hölle und zurück: Roman (Neobooks) (German Edition)
möchte ich wissen und frage mich gleichzeitig, wie viel Oprah von uns Dämonen weiß.
»Musst du Claire keine Wünsche erfüllen?«
»Doch.«
Ich könnte sie anlügen, aber irgendwie ist mir nicht danach. Ihre prallen Brüste schieben sich in mein Blickfeld, als sie sich noch ein Stück weiter nach vorne beugt.
»Und wieso hat sie sich dann noch keine Millionen gewünscht und ist aus diesem Drecksloch verschwunden? Sie hasst es, hier zu sein.«
»So einfach ist das nicht«, erwidere ich und beobachte einen gutaussehenden, älteren Herrn mit Anzug, der einer Blondine an den Arsch fasst. Sie kichert amüsiert. Mit einem eindringlichen Blick in meine Richtung verlagert er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und fährt sich kurz durch sein graumeliertes Haar. Der Mann kommt mir bekannt vor, ich kann ihn nur nicht auf die Schnelle einordnen, denn es schiebt sich jemand anderes in mein Blickfeld.
Oprah legt den Kopf schief, spielt an der kleinen Silberkette herum. »Wieso nicht?«
»Sie muss ein Geheimnis von sich enthüllen.«
»Ein Geheimnis?«
»Jeder Oishine hat eine Doppelseite im Buch. Auf der einen steht die Beschwörungsformel, die jedoch nur unter gewissen Umständen und wenn man in Besitz des Bannungsgegenstandes ist, zur Verwendung kommt, auf der anderen stehen sieben Fragen.«
Genau, ich verkünde gerade einer Wildfremden die Geheimnisse des Buches. Der Mann, Bei den Fürsten noch mal, woher kenne ich ihn? Ich zermarter mir das Hirn, finde jedoch keine Lösung.
»Fragen worüber?«, will sie interessiert wissen.
»Über das Leben«, antworte ich geistesabwesend und versuche, den älteren Herrn im Gedränge der Meute auszumachen. Ich habe noch nie einen so vollen Stripclub gesehen. Entweder die Mädels sind doch Nutten, oder es gibt hier irgendwas umsonst. Aber der Kerl … Diese grauen Haare, die Frisur, die Gestik … Alles an ihm kommt mir so vertraut vor, dass meine Fingerspitzen zu kribbeln beginnen. Zum Bei den Fürsten, das kann doch nicht wahr sein! Ich erinnere mich an jeden Menschen und jedes Wesen, das ich schon einmal gesehen habe, ausnahmslos.
»Was, über das Leben?«, reißt mich Oprah aus den Gedanken bezüglich des Anzugträgers.
»Claire wird sich erst was wünschen können, wenn sie die Fragen beantwortet. Eine Frage für jeden Dämonenfürsten. Du weißt ja, dass Dämonen mit den Geheimnissen der Menschen ihre Seele kaufen. Ist also für beide Seiten ein lukratives Geschäft.«
»Das ist doch bescheuert! Was bringt es dann, einen Oishine zu haben?«, entrüstet sich Oprah lautstark und starrt mich ungläubig an. »Und was sind das für Fragen?«
»Keine Ahnung, ich habe sie da nicht reingeschrieben. Ich kenne sie nicht. Ich kann das Buch auch gar nicht lesen.«
Wahrheit. Wahrheit. Wahrheit. Was war nur los mit mir? Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas ist faul. Sonst bin ich nicht so redebedürftig und teile meine Geheimnisse mit Verwandten meiner Bändiger! Etwas geht hier gewaltig daneben.
»Wie, nicht lesen?«
»Ich kann die Buchstaben nicht entschlüsseln, ein Fluch, sozusagen.«
Wahrheit. Erneut.
»Und was könnt ihr noch?«
Ich könnte ihr die Wahrheit sagen, die in etwa so klingen würde:
Kein Dämon kann Claire in der Zeit befallen, es sei denn, sie hat zuvor bereits einen Vertrag abgeschlossen. Sie ist resistent gegen Flüche, gegen Zauber und gegen den Dämon, der seine Todesliste abarbeitet.
Stattdessen muss ich ihr nicht mehr antworten. Ich bemerke aus den Augenwinkeln, wie sich Oprah plötzlich versteift, sich von mir abwendet und verdächtig in eine andere Richtung schaut.
»Madame Pompadour hat uns im Auge«, raunt sie halblaut und verschwindet einfach so auf die andere Seite der Bar. Ich wage es noch immer nicht, einen Blick über die Köpfe der grölenden Männer hinweg auf das Podest zu werfen, auf dem Claire beiläufig ihre Künste zum Besten gibt. Außerdem erwartet mich etwas ganz anderes als Claires nackte Schenkel.
Ich rieche sie, bevor sie neben mir auftaucht. Zigarettengeruch, das Böse, das Verdorbene lastet auf ihr wie eine zweite Haut. Madame Pompadour, die Puffmama persönlich. Wie eine gefallene Diva setzt sich die alte Hexe auf den leeren Platz neben mir und mustert mich mit ihren eiskalten Reptilienaugen. Nervös schaue ich mich um. Von dem Mann im Anzug ist nichts mehr zu sehen. Habe ich mir nur eingebildet, ihn zu kennen? Nein, etwas sehr Vertrautes lag in seinen Gesten. Und das bilde ich mir nicht ein.
Madame Pompadour
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