Rashminder Tage 02 (German Edition)
hassen und nichts als Hass und Verachtung von ihnen ernten.“
Die Bitternis in Stefárs Stimme ließ keinen Zweifel, dass er nicht mehr länger nur von Lys sprach. Archym kämpfte mit sich. Sein Herz sehnte sich danach, Stefár in die Arme zu nehmen und ihn um Verzeihung anzuflehen für all das, was zwischen ihnen stand. Dieser Brief hätte Wort für Wort von ihm stammen können … Doch jetzt war nicht die Zeit, mit seinen eigenen Sünden zu ringen.
„Lys ist bei all seiner Brillanz ein verlorener Junge, der sich nach seiner toten Mutter sehnt, nach seinem geliebten Bruder, und nach Anerkennung von seinem Vater. Er weigert sich zu glauben, dass sein Vater ihn töten lassen könnte. Ich konnte ihn weder mit Worten noch Gewalt daran hindern, sich in den Sattel zu schwingen und seinem Untergang entgegen zu reiten.“
„Du meinst, er ist bereits dort?“ Archym sprang auf. Seine letzten Worte hatte er zu laut gerufen, wie ihm klar wurde, als die Tür aufflog und Sharym mit gezücktem Schwert hereinstürmte. Sein Leibwächter war schon immer eifrig gewesen, seit Archyms Krönung war es eher schlimmer geworden.
„Weg von meinem König!“, brüllte er Stefár zu, der ebenfalls aufgesprungen war. Bevor einer dieser beiden Hitzköpfe etwas Unüberlegtes tun konnte, ging Archym energisch dazwischen.
„Dieser Mann ist mein Gast. Behandle ihn mit Respekt!“
Sharym starrte verwirrt in Stefárs grimmiges Gesicht, wissend, dass dieser nicht auf normalem Weg in den Raum gelangt sein konnte. Dann dämmerte Erkennen in seinen Augen. Er verneigte sich ehrerbietig und steckte seine Waffe zurück in die Scheide.
„Habt Ihr Befehle für mich, Majestät?“
„Schick nach meinem Kammerdiener. Ich muss in einer Stunde nach Corlin losreiten, veranlasse alles Notwendige.“
Ohne weitere Fragen ließ Sharym sie allein.
„Meinst du, dahinter könnte noch mehr stecken als nur die Boshaftigkeit eines alten Mannes?“, fragte Stefár nach einem langen Moment, in dem sie beide sich mit den Augen gemessen hatten.
„Du denkst an Layn Kumien? Nein, das wäre widersinnig. Kumien wollte Lys zwingen, sich wieder in das Spiel einzubringen und erneut den Anspruch auf den Thron geltend zu machen. Das ist ihm gelungen.“
„Du hast Recht, Kumien würde nichts tun, was Lys’ Leben gefährdet. Ich dachte eher an Maggarn oder Naxander.“
„Naxander ist tot, soweit ich weiß. Zumindest geht das Gerücht um, ich habe lange keine Botschaften mehr aus Rashmind erhalten.“
„Nun gut. Ich werde vorausreiten, Vater. Meine Hoffnung gründet auf dem Erbfolgegesetz, falls du verstehst, was ich meine.“
„Warum bist du hier?“ Archym konnte nicht anders, er musste diese Frage stellen. „Warum suchst du meine Hilfe, statt wie gewohnt mit dem Kopf voran in die Schlangengrube zu springen? Ich hätte erwartet, dass du auf eigene Faust versuchst, Lys zu befreien, so wie du es schon einmal getan hast.“
Stefárs Gesicht verzog sich gequält, gewiss dachte er an diese Begebenheit vor einigen Jahren, die zum Tod des Grafen von Hyula führte – um den Mann war es ganz bestimmt nicht schade – und die bereits zuvor gesäte Legende des großen Sheruks Kirian hatte aufblühen lassen.
„Lys hat mich gezwungen“, murmelte er unglücklich. „Ich musste einen heiligen Eid ablegen, dass ich nicht versuchen würde, in das Schloss seines Vaters einzubrechen, egal was passiert, und unter gar keinen Umständen einen Finger an Erebos zu legen. Du kennst ihn, er hat es geschafft, alle Eventualitäten zu bedenken, um mich handlungsunfähig zu machen. Einen solchen Eid kann ich nicht brechen … Das Einzige, was er mir nicht verboten hat, ist genau das hier. Eben, dass ich mich dir zu Füßen werfe und um Hilfe für ihn bitte, damit du mir befiehlst, mich einzumischen.“
„Auf die Gefahr hin, dass ich die Gelegenheit nutze, dich ganz aus Versehen für einen Einbrecher zu halten und zu erschlagen, damit ich meinen nutzlosen Sohn loswerde?“ Archym musste mit Gewalt an sich halten, als er den verletzten Ausdruck in Stefárs Augen sah. Das war alles was er brauchte, um sich bestätigt zu fühlen. Sein Sohn hatte wirklich befürchtet, er, Archym, könne genauso herzlos sein wie Erebos. Mit einem grimmigen Zischen zog er ihn zu sich und umarmte ihn heftig. Er spürte die Anspannung in Stefárs Körper, aber er wurde nicht abgewehrt und nach einigen Momenten ließ Stefár es zu, lehnte sich sogar kurz bei ihm an. Das Klopfen an der Tür, mit dem sich der
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