Rashminder Tage 3 (German Edition)
Glück hatte, überlebte sie es.
Schwere Stiefel polterten über den Boden, keinen halben Schritt von Caels Kopf entfernt. Er betete, dass Natt nicht ausgerechnet in diesem Moment erwachen und einen Laut von sich geben würde, obwohl ihm klar war, dass dahinter eher Wunschdenken steckte – Natt lebte, doch er war genauso geschwächt wie zuvor. Vielleicht sogar noch mehr? Cael spürte die Atempausen. Die brennende Kälte von Händen und Füßen, den klebrigen Schweiß auf Natts Haut.
Er stirbt, dachte Cael. Dieser Gedanke brach durch die Betäubung, die seinen erschöpften Verstand umhüllte. Unwillkürlich verstärkte sich sein Klammergriff um Natts Körper. Er brauchte diesen Mann! Ohne ihn würde er untergehen. Unwiderruflich. Das hatte nichts mit Liebe zu tun, oder dem bisschen Sex, den sie geteilt hatten. Natt hatte ihn aus der Hölle gerettet. Er war alles, woran Cael sich festhalten konnte.
Er hat Besseres verdient. Ist sowieso bloß Pflichtgefühl, dass er mir hilft.
Möglicherweise würde es reichen zu wissen, dass Natt lebte. Er wollte nicht an ihm hängen wie ein Klotz.
Ich werde ihn retten. Irgendwie. Egal wie. Und danach schicke ich ihn weg. Hat noch immer geklappt.
Oh ja, Cael war gut darin, Menschen wegzuekeln, die sich seiner annehmen wollten. Aus Mitleid, weil er im schlechtmöglichsten Viertel von Rashmind geboren wurde. Oder weil er jahrelang Naxanders Sklave gewesen war. Cael hasste Mitleid, es machte ihn schwach und klein.
Ich bin kein Opfer!
Die Tür schlug zu, die Schritte der Schmuggler entfernten sich. Cael dachte derweil intensiv nach. Es gab einen Weg, seinen Gefährten zu retten, er war sich bloß nicht sicher, ob er ihn gehen sollte.
Natt zuckte kaum merklich unter seinen Händen. Dann setzte sein Atem aus. Cael fuhr hoch, wollte helfen, etwas tun, und konnte nicht.
Eins … Zwei … Drei … Mit zusammengebissenen Zähnen zählte Cael mit, bis Natt endlich mit einem schwachen Röcheln nach Luft schnappte. Es war soweit. Noch eine Stunde oder zwei, bis es vorbei war. Eventuell wäre anschließend zwar noch sein Leben zu retten, doch bei so viel Luftmangel würde sein Kopf sicherlich schwer geschädigt werden. So wie die Leute, die fast ertranken, um nach ihrer Rettung geistig oder körperlich zerstört zurückzubleiben.
„So sei es“, murmelte er, warf die Säcke von sich und raffte sich hoch. Er war nicht bereit für seine Aufgabe. Aber er war willig, sie zu übernehmen.
Kapitel 9
Cael durchsuchte seine Tasche, in der er seine Ausrüstung aufbewahrte. Ganz unten, eingenäht in den schweren Leinenstoff, befand sich der Ring. Eines der verbotenen Artefakte, das die Lebensenergie eines Menschen rauben konnte. An dem Tag, als Lark Cael für sich beansprucht hatte, hatte er ihn Naxander gestohlen. Da war er geschickt worden, seine wenigen Habseligkeiten zu holen und hatte die Gelegenheit genutzt. Cael wusste selbst nicht, warum er das damals getan hatte. Oder doch, eigentlich wusste er es ganz genau – ein wertvolleres Artefakt hätte er nicht unentdeckt mitnehmen können, um etwas zu haben, was ihn an Naxander erinnerte. Es war keine Anhänglichkeit, er hatte Naxander vom ersten bis zum letzten Tag verabscheut. Bei ihm hatte er lediglich gewusst, was von ihm erwartet wurde, während Lark für ihn damals eine unbekannte Gefahr darstellte. Nun, Lark stellte immer noch eine unbekannte Gefahr dar …
Dieser Ring hatte Cael jahrelang belastet. Benutzen wollte er ihn nicht, wegwerfen durfte er ihn nicht. Jetzt war er dankbar, ihn genommen zu haben, denn damit würde er Natts Leben retten.
Widerstrebend streifte er den unauffälligen goldenen Reif über Natts Zeigefinger. Die Hand war so kalt, dass es fast schmerzte, sie zu berühren. Wirklich schmerzhaft war es darüber nachzudenken, was er nun tun musste.
Zunächst schien es nicht so, als wäre Cael seiner Aufgabe gewachsen. Fluchend massierte und rieb er sein beharrlich schlaffes Glied. Erst als er sich abwandte, sodass er das blaugrau angelaufene Gesicht nicht mehr sehen musste, ging es. Mit geschlossenen Augen tastete er über den sterbenden Körper, drehte ihn auf den Bauch, spreizte ihm die Beine. Es widerte ihn an, Natt auf diese Weise in einem solchen Moment zu berühren, doch welche Wahl hatte er?
Mit zusammengebissenen Zähnen drang er in Natts Enge ein, die zumindest noch lebendige Wärme bot. Cael hatte nicht gewusst, was ihn erwartete. Wie der Zauber funktionieren würde. Dass er fast augenblicklich
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