Rashminder Tage 3 (German Edition)
kurzen Atemzug.
Ihm wurde bewusst, dass er nicht nur seine eigenen Ängste durchlitt, sondern auch Kaidens. Er spürte ihn so deutlich wie nie zuvor, es war unmöglich zu sagen, wo Kaidens Seele aufhörte und Eryks anfing. Zutiefst beschämt machte er sich klar, dass er seinen Liebsten mit seiner eigenen Panik noch mehr belastet hatte, als er sowieso schon war.
„Überstrecke seinen Kopf in den Nacken. Kirian, du hältst ihn so fest. Du, Eryk, drückst ihm die Nase zu und atmest in seinen Mund. Lass dabei seinen Kiefer nicht aus dem Griff!“
Lys schien wie verwandelt. Der freundliche junge Mann, der stets ein wenig scheu und nachdenklich wirkte, war verschwunden. An seiner Stelle stand dort ein Fürst, geboren, um Befehle zu erteilen und jede Art von Schlachtfeld zu beherrschen. Die unnachgiebige Kraft und Zuversicht, die er ausstrahlte, ließ Eryk ohne weiteren Gedanken gehorchen.
Kirians große Hände gruben sich in Kaidens Locken, der mit schwachen Bewegungen zu entkommen versuchte. Vergebens – Eryk folgte genau den Anweisungen und gab Kaiden alles, was seine Lungen hergaben. Innerlich sprach er beruhigend auf ihn ein und frohlockte, als Kaidens Widerstand brach.
Nach einigen Versuchen spielte sich rasch ein Rhythmus ein: Eryk gab ihm einen Luftstoß, ließ ihm fünf Herzschläge Zeit auszuatmen, und wieder von vorn. Die Todesangst wurde an den hinteren Rand von Kaidens Bewusstsein verdrängt, da er jetzt dem Befehl gehorchen konnte, ohne sich dabei selbst umzubringen.
Die Frage blieb allerdings, wie lange sie das allesamt durchhalten konnten.
Kapitel 12
Kirian suchte Lys’ Blick, als dieser zurück in den Raum kam. Selten hatte er seinen Geliebten so grimmig gesehen. Was immer dieser Naxander gebracht haben mochte, es war ganz gewiss keine Liebesgabe gewesen. König Archym betrat ebenfalls den Wundraum. Sein Vater wirkte grau und erschöpft. Es musste also noch schlimmer sein als befürchtet …
Da Eryk und Kaiden die Sache momentan im Griff hatten, ließ Kirian den Kopf des jungen Magiers los und wandte sich seinem Liebsten zu.
„Es ist Inur“, flüsterte Lys mit flackerndem Blick und geballten Fäusten. „Naxander hat seine Leiche gebracht, zusammen mit einem Brief. Er befiehlt, dass ich sofort nach Irtrawitt kommen und zuvor zum Thronfolger gekürt werden soll.“
„Das bist du bereits.“
„Ihr Götter, das weiß ich, das weißt du, aber ist es ein Wunder, dass der Rest der Welt den Anschluss verloren hat?“, zischte Lys, unbeherrscht wie selten. „Inur ist gestorben, weil Kumien ihn nicht als Thronfolger akzeptieren wollte. Naxander muss das … Moment mal …“ Lys starrte ratlos zu Eryk hinüber.
„Er hat gesagt, dass Naxander sich als Bote des Layns ausgegeben hatte, oder?“
Archym folgte Lys’ Blick und betrachtete mitleidig das Elend, das sich dort abspielte.
„Man sollte den Jungen von seinem Leid erlösen“, murmelte er.
„Noch nicht.“ Geistesabwesend schüttelte Lys den Kopf. „Hier ist etwas im Gange, das größer ist als wir alle. Ich glaube, ich lebe nur noch, weil Kaidens Magie mich für nützlich erachtet hat.“
„Wovon sprichst du?“, fragte Archym sofort, doch Kirian ahnte, worauf sein Liebster hinauswollte.
„Du meinst, er hat dich mit seiner Magie gefunden , als Mittel, um Naxander zu besiegen?“
„Warum sonst sollte Larks Bruder sie hierher gebracht haben? Naxander ist nun unser gemeinsamer Feind, und wenn meine Theorie stimmt, hat die Magie das bereits vorher gewusst und darum Lark den Kleineren veranlasst, die beiden herzubringen.“
Eine ganze Serie von Schaudern rann über Kirians Leib, die Vorstellung war gruselig. „Demnach müsste die Magie selbst so etwas wie eine denkende Wesenheit sein, nicht wahr?“, fragte er, hoffend, dass Lys verneinen würde. Doch der nickte nur langsam.
„Ja, ich glaube, so ist es.“
„Aber wäre dann nicht alles vorherbestimmt und ganz egal, was wir tun oder lassen, es kommt trotzdem gerade so, wie die Magie es will? Ist sie dadurch nicht so etwas wie ein Gott?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht sind die Götter ja tatsächlich so etwas wie der Geist aller Lebewesen zusammengenommen … Vielleicht … Ich denke indes nicht, dass alles bereits vorherbestimmt und unverrückbar festgelegt ist. Dafür gibt es zu viele seltsame Zufälle, und es wäre auch unlogisch, dass es konkurrierende Flüche gibt, wie im Fall von Torgen und Naxander. Ich denke, wenn die Magie ein Meer ist und wir
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