Rashminder Tage 3 (German Edition)
Lebewesen ein Schiff, das darauf treibt, liegt es in erster Linie in unserer Hand, wohin wir steuern. Manchmal aber geraten wir in Strudel oder heftige Stürme und werden hilflos gegen unseren Willen irgendwohin getrieben.“
Lys seufzte und wischte sich müde über das Gesicht. „Ich bleibe dabei, mein Überleben muss von Kaidens oder vielleicht auch Torgens Magie verursacht worden sein. Es wäre unlogisch, ihn jetzt schon zu erlösen, wenn es noch Hoffnung gibt, dass womöglich Lark der Größere kommt und Torgen mitbringt, der möglicherweise ein Heilmittel gegen diesen Bannfluch besitzt.“
„Ich verstehe nicht ein einziges Wort von dem, was ihr da sagt“, mischte sich Archym grollend ein. „Also zurück zum Wesentlichen. Naxander plant irgendeine Teufelei in Irtrawitt und will dich, Lys, zum Handeln zwingen. Du kannst nicht einfach in seine Arme laufen, verdammt! Ich hab dich bereits einmal fast in Irtrawitt verloren, meine Enkel brauchen einen Vater.“
Er wischte sich über die Stirn, wahrscheinlich wurde ihm bewusst, was er im Eifer des Gefechts verraten hatte – eben, dass er Lys wie einen eigenen Sohn liebte. Kirian lächelte ein wenig bitter. Er wusste, dass sein Vater ihn ebenfalls liebte, gleichgültig, wie hartnäckig dieser es zu leugnen versuchte. Merkwürdig, dass es für einen Vater unangenehm, ja, ein nicht wieder gut zu machendes Zeichen von Schwäche sein konnte, Liebe zu ihren Kindern zu gestehen … Dieser Krieg zwischen Väter und Söhnen hatte Onur ruiniert und Lys beinahe das Leben gekostet. Es war so dringend an der Zeit, dass all das hier endete. Dass das Spiel endete. Nur Lys war dazu in der Lage, doch es schien, als hätte sich die ganze Welt dagegen verschworen.
Archym fing sich wieder und fuhr etwas ruhiger fort:
„Sag mir, Lys, was soll ich jetzt tun, um einen Aufstand unter den Adligen zu verhindern? Sie sind alle verunsichert, gelinde gesprochen, seit ich dich erneut in die Thronfolge eingebunden habe. Ich konnte den Kronrat friedlich halten, indem ich ihnen hunderte Male versichert habe, dass du geneigt bist, freiwillig zurückzutreten, sobald ich vor Altersschwäche vom Thron falle. Dass du Inur Amt und Würden überlässt und schön im Hintergrund deine Fäden ziehst, wo du nach Meinung aller, die etwas zu sagen haben, auch hingehörst.“
„Wenn sie nun hören, dass Inur tot ist …“, begann Kirian aufgewühlt.
„… dann braucht nur irgendjemand nach Blut zu rufen, und schon ist der Bürgerkrieg perfekt“, vollendete Archym den Satz.
„Ich glaube, das war es, worauf Naxander abzielt. Er will den Aufruhr in Onur, und er will, dass wir Irtrawitt um Hilfe bitten. Kumien ist stark genug, um den Kronrat in die Knie zu zwingen“, sagte Lys. An der Art, wie er hektisch auf seiner Unterlippe kaute, erkannte man deutlich die immense Anspannung, die Lys zu kontrollieren versuchte. „Kumien würde uns helfen, aber der Preis dafür wäre hoch. Vor allem, wenn Naxander ihn auf irgendeine Weise beeinflusst. Wenn es zum Schlimmsten käme, dann würde Onur unter Irtrawitts Herrschaft fallen und das Land endgültig in Dunkelheit versinken. Kumien selbst würde das niemals zulassen. Es steht indes zu vermuten, dass Maggarn nicht abgeneigt ist und Naxander ganz gewiss auch nicht.“
Archym schnaufte gereizt. „Lys, benutze diesen viel zu brillanten Kopf und finde eine Lösung! Das Ganze hier ist ein Albtraum! Intrigante Magier, und Lark, der wie stets seine eigene Suppe kocht, und Bannflüche, und all das – wo bleibt da die Ehre?“
Kirian empfand Mitleid mit seinem Vater, etwas, was er noch vor zwei Jahren für vollkommen ausgeschlossen gehalten hatte. Archym hatte sein Leben lang auf Schlachtfeldern gestanden, sein Fürstentum verwaltet und sämtliche Intrigen niederer Adliger durch seine schiere Kampfstärke, rücksichtslose Härte auch sich selbst gegenüber und nicht zuletzt fast unerschöpflichen Geldmitteln ausgesessen. Seit Lys das Spiel aufgenommen hatte, waren die meisten Kämpfe plötzlich in komplizierten Bahnen verlaufen, wurden über wirtschaftliche Winkelzüge und undurchschaubare hochgeistige Verwicklungen geführt. Klügere Köpfe als Archym hatten Schwierigkeiten, Lys’ Tempo zu folgen …
Kaidens erbarmungswürdiges Wimmern riss Kirian aus den Überlegungen.
Eine Weile lang schwiegen sie alle und sahen mit blutenden Herzen zu, wie Eryk um das Leben seines Geliebten kämpfte, ihm unermüdlich Atem spendete, obwohl er selbst immer mehr an Kraft zu
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