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Rasputins Erbe

Rasputins Erbe

Titel: Rasputins Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah Wilde
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vielleicht war sie bloß noch nicht bereit für diese Art von Schmerzen? Blödsinn, dachte sie und wischte den absurden Gedanken beiseite.
    Als sie sich dem Wetter entsprechend ihrem bequemsten Rollkragenpullover überzog, klingelte ihr Handy. Sie hatte am Vorabend eigentlich daran denken wollen, es für den gesamten Tag auszuschalten. Es gab niemanden, mit dem sie nun sprechen wollte. Aber das stimmte nicht ganz.
    „Hey! Wie wars? Du musst mir alles erzählen. Und wehe, du lässt die Details aus!“, schnatterte Verena am anderen Ende der Leitung. Julia war nun doch froh, dass sie jemanden zum Reden hatte und sie berichtete ihrer besten Freundin von ihrem Horrortrip.
    Verena war ungewöhnlich still, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass sie die Geschichte abscheulich fand. Julia spürte, dass ihre loyale Freundin ebenfalls vor Wut kochte. Es war ein befriedigendes Gefühl, mit dem Ärger und der Verzweiflung nicht allein zu sein.
    Nachdem Julia alles erzählt hatte, meinte Verena: „Ich komme sofort vorbei. Dann zeigst du mir die Wunde und dann gehen wir entweder zum Arzt oder zur Polizei. Am besten machen wir beides. Ich -“
    „Verena!“, drohte Julia im Spaß, „komm' bitte einfach vorbei. Lass uns einen Film gucken oder so. Auf Stress mit den Behörden habe ich keine Lust. Außerdem kann ich doch nichts beweisen. Ich war ja freiwillig bei ihm. Du immer mit deinen Plänen!“
    Sie kicherte erleichtert und beim Lachen spannte die Kruste, die sich bereits über der Wunde bildete. Sie musste sich zusammenreißen.
    Verena kam eine halbe Stunde später vorbei und weigerte sich ihre Schuhe auszuziehen. Sie meinte: „Weißt du eigentlich, was da draußen los ist? Es schneit, die Leute haben gute Laune und die Stadt ein einziger großer Weihnachtsmarkt. Wo sind deine Schuhe?“
    Julia wusste, dass es zwecklos war, ihr zu widersprechen. Sie zog sich an und ging mit Verena hinaus in die wunderschöne Winterlandschaft, die bisher noch von keinem Schneeräumfahrzeug zerstört worden war.
    Sie schlenderten über den Weihnachtsmarkt am Neumarkt und Julia genoss den Trubel um sie herum. Sie war Verena unglaublich dankbar für den seelischen Beistand. Ohne sie hätte sie den Tag vermutlich heulend im Bett verbracht, überlegte sie. Julia schluckte schwer und legte ihren Arm um Verenas üppige Hüfte. Sie schien von Tag zu Tag breiter zu werden.
    „Oh, schau' mal, Julia. Das wäre doch was für uns, oder?“, rief Verena plötzlich, als sie einen Stand passierten, an dem kitschige Nikolausmützen verkauft wurden.
    Julia widersprach ihr jedoch nicht, sondern ließ sich auf das Spiel ein. Sie bereute den Kauf jedoch, als sie bemerkte, dass in die Mützen blinkende LEDs eingebaut waren, die jedem einzelnen Besucher auf dem Weihnachtsmarkt signalisierten, was für ein Idiot Julia war. Ihr wurde allerdings schnell klar, dass es wahrlich genügend andere Idioten gab, die sich so eine alberne Mütze aufgesetzt hatten. Sie zuckte unmerklich mit den Schultern und folgte Verena von Stand zu Stand, bis sie am Ende des Marktes angelangt waren.
    „Und jetzt?“, fragte Julia, die langsam ebenfalls in Weihnachtsstimmung kam und unheimlich froh über die spontane Abwechslung war.
    „Tja, ein Glühwein wäre gut. Aber ich glaube, das würde meinen Süßen nicht schmecken“, lachte Verena, während sie ihren kugelrunden Bauch liebevoll tätschelte. Mit einem Blick auf die für einen Sonntagnachmittag ungewöhnlich stark belebte Fußgängerzone fuhr sie fort: „Das hatte ich ja total vergessen. Heute ist verkaufsoffener Sonntag. Ich habe mich schon gewundert, warum es so viele Leute in die Fußgängerzone zieht. Hast du Lust?“
    Verena wartete nicht auf eine Antwort, sondern bugsierte Julia bereits in Richtung der bunten Geschäfte.
    Verena genoss den Ausflug ebenfalls, denn sie kam nur noch selten vor die Tür. Sie überlegte alarmiert, dass nach der Geburt ihrer beiden Babys wohl erst einmal nicht mehr in den Genuss einer ausgedehnten Shopping-Tour mit ihrer besten Freundin kommen würde. Also beschloss sie, das Beste aus diesem Tag zu machen und Julia in möglichst viele Läden zu schleppen.
    Das war Julia nur Recht, denn es graute ihr ein wenig vor ihrer einsamen Wohnung. Da war wieder dieses unangenehme Gefühl im Hals. Sie musste erneut schlucken, aber es fiel ihr zunehmend schwerer.
    Julia wusste, dass sich da nicht etwa eine Grippe oder so etwas in der Art anbahnte; Julia war in Wirklichkeit zum Heulen zumute, aber sie

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