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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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war,
ihrem Vater und unbekannterweise ihrer Mutter zu vergeben. Ich habe das bewundert.
Ich weiß nicht, ob ich das könnte.«
    Martin sah
Ingeborg an und fand sich Jahre zurückversetzt in eine Situation, wo es um Ähnliches
ging: dem Vater vergeben für Taten, die der ganzen Familie geschadet hatten. Er
riss sich aus der Versunkenheit los.
    »Ich brauche
alles, was eine Verbindung zwischen diesen Menschen und den drei Nazis herstellen
könnte. Personendossiers, Mitgliedschaften, Parteikorrespondenz, Namensänderungen
– alles.«
    Ingeborg
schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Sie erwarten zu viel. Es gibt einzelne Fragmente,
unvollständige Bruchstücke, Abstammungsnachweise und Ahnenpässe. Es ist fast unmöglich,
die komplette Biografie eines Täters oder Opfers herauszufinden.«
    »Wir müssen
es trotzdem versuchen. Es gibt da Zusammenhänge, das weiß ich genau. Die zentrale
Frage ist: Wieso hat jemand ein Interesse daran, Menschen zu ermorden, die in Lebensbornheimen
aufgewachsen sind? Wem sind diese Leute derart im Weg?«
    »Okay. Zeigen
Sie mir die Akten der Nazis. Ich will sehen, was ich für Sie tun kann. Wir haben
natürlich nicht nur Ordner in den Regalen, sondern auch Filme, Fotos und eine ganze
Menge Material auf Mikrochips. Ich denke, ohne Computer werden wir hier sowieso
nicht weiterkommen.« Ingeborg Kassner wandte sich der Tastatur des PCs zu, neben
dem Martin seine Unterlagen abgelegt hatte.
    Er las den
ersten Namen vor. »Okay. Ich gebe Ihnen, was ich habe. Der Erste ist Franz Wegleiter,
geboren am 17. August 1920 in München.« Sogleich tippte Ingeborg den Namen Wegleiter
in das System ein. Passend zu dem Geburtsdatum fand sie einen Mann, der auf die
Beschreibung passen könnte. Die Seite baute sich auf dem Bildschirm auf, und Ingeborg
begann zu lesen.
    »Franz Wegleiter.
Erst Hitlerjugend, später SS, dann Waffen-SS.« Ingeborg überflog die Seite. »Wow,
steile Karriere. Ist ’44 nach Italien abkommandiert worden. Hatte ’ne Menge Leute
unter sich.«
    Frau Kassner
klickte den Button für die zweite Seite. »Hier gibt es Fotos. Wegleiter und seine
Kameraden.«
    Martin betrachtete
das Foto auf dem Bildschirm. »Ich kenne das Bild. Das in der Mitte ist Wegleiter.
Er gehörte zur Totenkopfbrigade.«
    »Hier sind
Formulare, die Wegleiter ausfüllen musste. Fragebogen des Rasse- und Siedlungshauptamtes,
ein ausgefüllter SS-Erbgesundheitsbogen, eine SS-Ahnentafel und eine ehrenwörtliche
Erklärung über Vermögen und Schulden. Oh, là, là, der Mann war vermögend, als er
in die SS eintrat. Schien geschäftstüchtig gewesen zu sein.« Ingeborg stockte. »Halt,
warten Sie mal. Hier gibt es einen neueren Akteneintrag. Gegen Wegleiter wurde wegen
der Teilnahme am Genozid ermittelt. Partisanenmord in Carrara. Zunächst 1948 von
den Amerikanern freigesprochen, Neuaufnahme des Verfahrens 1961, nach kurzer Zeit
abgewiesen, weil nach so vielen Jahren die Beweise nicht stichhaltig erbracht werden
konnten.« Ingeborg klickte in dem Archiv rasend schnell, beinahe wahnhaft einen
Button nach dem anderen. »Hier gibt es eine Korrespondenz. Einen Eintrag aus dem
Berlin Document Center. Demnach soll es eine interne Untersuchung gegen Wegleiter
wegen parteiunwürdigen Verhaltens in Trunkenheit gegeben haben. Hier steht, dass
Wegleiter den angebotenen Alkohol zur Kompensation nach einer Erschießung dankend
angenommen und im Übermaß konsumiert hätte, aber nicht, um das Gewissen zu betäuben,
sondern um die Tat zu feiern. Ihm wurde nahegelegt, der Angelegenheit mit dem gebotenen
Respekt zu begegnen.«
    »Womit feststeht,
dass Wegleiter garantiert keine weiße Weste hatte.«
    Frau Kassner
lachte auf. »Nee, das sicher nicht. Hier geht’s noch weiter. Er hatte ein Verfahren
wegen der Ermordung dreier Partisanen in Italien ohne Befehl. Das Gericht hat ihn
aus Mangel an Beweisen freigesprochen.«
    »Sehen Sie
weiter vorn nach. Hatte Wegleiter etwas mit dem Thema Lebensborn zu tun? In der
Akte, die ich gefunden habe, ist ein Eintrag herausgerissen worden. Dort ist er
als Vater benannt worden, es ist aber nicht ersichtlich, von wem.«
    Ingeborg
klickte Buttons an. »Warten Sie. Dafür muss ich in eine andere Datei.« Sie öffnete
ein neues Fenster. Ihre Finger bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit über
die Tastatur, was Martin Respekt einflößte.
    »Tatsächlich.
Hier ist etwas. Vater von Hartmut, Eleonore und Karl Wegleiter. Hartmut, der eheliche
Sohn, ist geboren 1955 und die zwei anderen 1940 in

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