Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
als dieser ihm zu brutal wurde. Und jetzt kommt es. Strocka hat 1966
in einem weiteren Prozess gegen Wegleiter ausgesagt. Wegleiter rastete während des
Prozesses aus und hat Strocka bedroht. Er sagte, dass er ihn dafür umbringen würde.
Trotzdem wurde Wegleiter wieder nicht verknackt.«
»Dafür ist
Strocka jetzt tatsächlich tot. Umgebracht. Ein bisschen später, aber immerhin tot.«
»Dazu kommen
wir noch. Lass uns erst mal bei Wegleiter
bleiben.
Er wurde nicht verknackt, weil …«
»Darf ich
wieder raten? Weil der Richter nicht genug Beweise hatte?«
Werner zog
einen Flunsch. »So ist es. Irgendwie reichte es nie. Ich habe gestern mal im Archiv
nachgesehen und alte Zeitungsartikel auf Mikrochips nachgelesen. 1966 hätten sie
Wegleiter fast am Arsch gehabt, und keiner hat es kapiert, warum der nicht eingebuchtet
wurde. Es hätte für drei Mal lebenslänglich gereicht. Und jetzt komme ich dann mal
zum Punkt. Der Richter war kein anderer als ein gewisser Schöller.«
»Der Polizeipräsident?«,
fragte Martin, bemerkte aber sofort, dass in seiner Rechnung einige Jahre fehlten.
»Unsinn.
Der Großvater von unserem Schölli und der Daddy vom Big Boss.«
»Na, wenn
das mal kein Zufall ist.« Pohlmann tippte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Die
ganze Sippschaft hängt unter einer dicken, verfilzten Decke zusammen. Werner! Ich
glaube, wir haben ein Problem. Wenn das stimmt, was du sagst, dann bekommen wir
mehr Gegenwind, als wir vertragen können. Und dann wundert mich nicht, warum Klaus
in den letzten Jahren nichts auf die Reihe gekriegt hat. Er wurde absichtlich auf
den Posten gesetzt, damit er nichts findet.«
»Und Lorenz?«,
fragte Werner.
»Was ist
mit Lorenz?«
»Na, Lorenz
ist nicht mehr in Amt und Würden, wie du weißt.« Hartleibs Stimme klang einige Oktaven
höher.
»Du meinst,
Lorenz wurde mit Absicht aus dem Verkehr gezogen?« Pohlmann schüttelte entschieden
den Kopf. »Quatsch. Das glaube ich nicht. Hey, wir sind hier nicht in Amerika. Außerdem,
wie sollte man das anstellen? Ein Infarkt kommt nicht auf Bestellung.«
»Das nicht
gerade. Aber wie wäre es, wenn man ihm die Medikamente, die er gegen seine Angina
Pectoris einnehmen musste, ausgetauscht oder weggenommen hatte?«
Martin wurde
nachdenklich. »Du hast recht. Ich hab das mal erlebt, als Lorenz einen akuten Anfall
hatte. Das war ganz schön knapp.«
»Und nachweisen
könnte man dies auch nicht. Selbst wenn Lorenz es behaupten würde, würde man ihn
nicht mehr für voll nehmen. Sein Zustand hat sich nicht gerade verbessert. Er spricht
kaum noch und vegetiert in der Klinik dahin.«
Werner unterbrach
Martins Gedanken. »Wolltest du nicht zu Schöller ins Büro?«
Martin stand
sogleich auf. »Wetten, dass Schöller das Fax aus dem Bundesarchiv hat verschwinden
lassen?«
Werner sah
Martin mit ernster Miene an. »Lass es uns herausfinden.«
Martin nickte.
Beide verließen
Pohlmanns Büro und marschierten wie zwei Soldaten ins Gefecht zwei Flure weiter
zu Klaus Schöller, der bereits ein Schild in Übergröße mit seinem Namen am Türrahmen
hatte anbringen lassen. Nach einem Anklopfen ertönte ein zackiges Herein. Schöller
saß in einem dunkelblauen Zweireiher mit feinen Streifen und einem perfekt gebügelten
weißen Hemd hinter dem aufgeräumten Schreibtisch von Lorenz. Pohlmann erkannte das
Büro nicht wieder. Die Unordnung war komplett verschwunden, das allen bekannte und
doch sehr persönliche Lorenzsche Chaos war der Sterilität eines profillosen Aufsteigers
gewichen. Einige verbliebene Aktenordner standen, alphabetisch geordnet, in einem
hohen Regal hinter dem ledernen Schreibtischstuhl. Das Flipchart, das Lorenz mit
Zetteln und Fotos gespickt hatte, war ebenfalls verschwunden. Klaus Schöller schien
mit keiner besonders anstrengenden Aufgabe beschäftigt zu sein und begrüßte die
beiden Polizeibeamten mit entspannter und fröhlicher Miene.
»Hallo,
Jungs.« Schöller verschränkte die Arme und wandte sich amüsiert zu Martin. »Na,
Pohlmann? Mal wieder in Klamotten gepennt heute Nacht?«
»Halt’s
Maul, Schöller. Selbst wenn dein beschissener Name auf der Tür steht, heißt das
noch lange nicht, dass du hier einen auf dicke Hose machen kannst.« Hartleib hielt
seinen Freund am Arm zurück. »Lass gut sein, Martin. Er ist immerhin jetzt dein
Chef.«
»Danke,
Werner«, sagte Schöller mit einem arroganten Ton in der Stimme. »Wenigstens Sie
wissen, was Loyalität bedeutet.« Während sich Werner wunderte, warum
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