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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Russen abgelöst wurden und teilweise auch schon vorher,
wurden die Kinder zur Adoption freigegeben. Einwohner der umliegenden Ortschaften
suchten sich ›íhre‹ Kinder aus und zogen sie auf, so gut es ging.«
    Martin schaltete
sich ein. »Also ist es nicht so, dass die Kinder ausschließlich von ideologiebesessenen
SS-Männern gezeugt wurden.«
    »Natürlich
nicht. Wenn es nach Himmler und Hitler gegangen wäre, dann war es schon so geplant,
dass innerhalb der entsprechenden Indoktrination und mit entsprechenden Anreizen
für die Väter eine Populationssteigerung bezweckt war, und manche der SS-Männer
gingen auch sicher bereitwillig darauf ein. Keller meinte, wie gesagt, drei der
Männer identifiziert zu haben, die sich als Zeugungshelfer zur Verfügung gestellt
hatten. Ihnen werden die drei Namen wahrscheinlich bekannt sein.«
    »Wegleiter,
Fürst und Strocka.«
    »Genau.
Keller behauptete bei unserem letzten Treffen sogar, er habe Akten gefunden, aus
denen hervorginge, dass Franz Wegleiter mein Vater sei und er auch wüsste, wen Strocka
und Dr. Fürst gezeugt hätten.«
    Martin ließ
sich die Akten von Werner reichen. »Ich habe in einem Geheimfach in Kellers Schreibtisch
diese drei Akten gefunden. Daraus geht hervor, dass Emilie Braun die Tochter von
Gerhard Strocka ist.« Feldmann nickte. »Ja, ich kenne diese Unterlagen.« Feldmann
winkte ab und lächelte. »Es gibt noch viel mehr. Vier Mal so viel.«
    Martin lehnte
sich vor. »Ich habe erst vor wenigen Tagen erfahren, dass Hans Keller ebenfalls
ein unehelicher Sohn von Strocka ist. Wussten Sie das?«
    Feldmann
fiel das Kinn herunter und damit jegliche Gesichtsspannung ab. »Oh Gott, nein. Das
wusste ich nicht. Hans war auch ein Lebensbornkind?« Feldmann hielt sich die Hand
vor den Mund. Martin und Werner spürten, dass dieses Entsetzen nicht gespielt war.
    »Um Gottes
willen«, erregte sich Feldmann erneut. »Dann ist Emilie seine Schwester?«
    »War. Seine
Halbschwester«, korrigierte ihn Pohlmann. »Strocka hatte Hans und Emilie mit zwei
verschiedenen Frauen gezeugt.«
    »Trotzdem.
Dann wird mir einiges klar. Darauf wäre ich nie gekommen.«
    »Inwiefern?«
    »Na ja.
Sie hätten die beiden zusammen sehen sollen. Emilie Braun war eine Patientin in
seiner Klinik, ja, aber so, wie er sie bemutterte und umsorgte, konnte man sich
gar nicht vorstellen, dass ein Arzt einem Patienten dermaßen zugewandt ist, ohne
dass persönliche Dinge im Spiel sind. Wir dachten alle, die deutsche Geschichte,
der Nationalsozialismus und der Lebensborn seien lediglich Kellers Steckenpferd
gewesen. Oder sein ausgeprägtes psychologisches Interesse an den seelischen Auswirkungen,
die alle Lebensbornkinder mit sich herumschleppen, aber dass er selbst eins war,
das wusste niemand von uns. Oh Gott, das erklärt vieles.«
    Feldmann
blickte wie durch Pohlmann hindurch. »Möglicherweise litt er selbst am meisten darunter
und hat auf diese Weise versucht, das Defizit zu kompensieren.«
    Werner bemerkte,
dass Feldmann von dieser Neuigkeit ergriffen war. »Sie sagen, Sie hätten ein freundschaftliches
Verhältnis zueinander gehabt.«
    »Wir haben
an vielen Abenden miteinander diskutiert. Wir waren nicht immer einer Meinung.«
    »Inwiefern?«
Martin lehnte sich zurück.
    »Na ja,
seine Therapieansätze waren ganz anders als meine Ratschläge, die ich in der Seelsorge
gab. Er hat versucht, den Menschen, die er therapierte, das Gefühl von Wertigkeit
zu vermitteln, dass sie etwas ganz Besonderes seien und so weiter, aber er selbst
hatte immer mit sich selbst gerungen, litt unter Minderwertigkeitskomplexen, obwohl
er bereits wirklich Großartiges in seinem Leben geleistet hatte. Sein Konzept war
nicht stimmig. Ich fand, es fehlte die Übereinstimmung mit der Realität.«
    »Und Sie
vertraten eine andere Auffassung als er.« Feldmann wand sich in seinem Sessel, als
wolle er nicht darüber sprechen. »Ich, für meinen Teil, habe Frieden mit der ganzen
Sache gemacht. Ich möchte das jetzt und hier nicht vertiefen, aber ich nenne es
die Versöhnung mit der Biografie. Ich habe verstanden und akzeptiert, dass ich meinen
Vater nicht kenne, und wahrscheinlich ist das auch gut so. Ich bin nicht wie viele
andere Kinder das Ergebnis einer liebevollen Vereinigung, sondern das Erzeugnis
einer ideologischen Idee. Das ist okay. Ich kann damit leben.«
    Feldmann
hob die Hände. »Was ist mit den Menschen, die das Ergebnis einer Vergewaltigung
sind? Das ist auch nicht viel besser, oder? Oder all die Kinder,

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