Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
hätte überlebt, da bin ich ganz sicher.«
»Als Schöller
die Treppe wieder raufkam, war er leichenblass und meinte, Dräger sei tot.«
»Lasst ihr
ihn obduzieren?«
»War eigentlich
nicht vorgesehen. Es gibt keinen Grund. Wir haben ihn bisher nur kaltgestellt.«
»Hör zu,
Martin. Ich weiß genau, welche Wunden ich Dräger zugefügt habe. Ich werde mich noch
die nächsten Jahrzehnte an alle Einzelheiten dieser Scheißnacht erinnern. Lasst
mich ihn einmal sehen, und ich sage dir, welche Wunden von mir stammen, und da sind
garantiert keine tödlichen dabei.«
Hartleib
kratzte sich am perfekt rasierten Kinn. »Du willst mir aber jetzt nicht damit sagen,
dass irgendjemand Dräger den Rest gegeben hat.«
»Nicht irgendjemand.
Nur ein ganz Bestimmter, der nicht wollte, dass Dräger aussagt. Einer, dem Dräger
tot lieber gewesen ist als lebendig.«
»Aber was
sollte das noch ändern? Es war doch schon alles in den Medien?«
»Ohne Drägers
belastende Aussage haben wir nichts in den Händen.« Martin ballte vor Zorn die Faust.
»Hätte ich ihn nur nicht so zugerichtet. Verflucht!«
Hartleib
dachte an die Fotos, die von Dräger im Keller seines Hauses gemacht worden waren
und die er sich kurz vor seinem Besuch im Krankenhaus angesehen hatte.
»Du hast
ihm wirklich den Bleistift ins Auge gerammt, hm?«
Martin nickte
und verzog angewidert das Gesicht, als ihm das Bild von dem blutenden Auge wie eine
grelle Neonreklame vor Augen aufleuchtete.
»Damit fing
alles an. Erst als er eigene Schmerzen zu spüren bekam, hatte ich eine Chance. Er
hatte die Eiserne Jungfrau für mich vorbereitet, und ich hab ihn mit einem Tritt
dort hineinbefördert.« Martin sah Werner hilfesuchend an. Es schien, als erwarte
er von Werner so etwas wie eine Absolution. »Was hätte ich denn machen sollen?«
Martin dachte an seine Mitgefangenen. »Wie geht’s Feldmann eigentlich? Und Emilie?
Wo sind sie?«
»Feldmann
ist einen Tag lang mit einem Schock im Krankenhaus behandelt worden und ist nun
zu Hause. Emilie Braun haben wir in die Anstalt zurückgebracht.«
»Hat sie
irgendetwas gesagt?«
»Solange
ich mit ihr zusammen war, hat sie kein Wort geredet. Ihr Arzt, dieser Dr. Schillig,
ist völlig ausgerastet. Sprach davon, dass das Ganze Konsequenzen haben würde und
wie du nur derart verantwortungslos sein konntest. Er hat Frau Braun einen Haufen
Pillen gegeben und sie komplett ruhiggestellt. Als ich ging, sah sie mir nach, und
während man ihr eine Beruhigungsspritze gab, streckte sie die Hand nach mir aus,
als wolle sie mir sagen: Geh nicht. Lass mich hier nicht allein.Ich hatte
den Eindruck, als wolle sie gar nicht zurück, aber sie sah sich nicht in der Lage,
sich anderen mitzuteilen.« Martin wurde nachdenklich.
»Mit mir
hat sie gesprochen. Und mit Catharine. Mit ihr hat sie so viel gesprochen wie ihr
ganzes Leben zuvor nicht. Als hätte sie nur darauf gewartet, eine Frau wie Catharine
kennenzulernen, der sie alles erklären konnte.« Martins Gesicht hellte sich auf.
»Und sie ist ja auch eine wunderbare Frau.«
»Hallo!
Was höre ich da? Wer ist eine wunderbare Frau? Du änderst aber schnell deinen Geschmack.
War nicht diese dralle Annegret deine Favoritin?«
»Tja, man
schaut den Leuten eben nicht in den Kopf. Ich hoffe, ihr habt sie in das dunkelste
Loch gesperrt, das ihr finden konntet.«
Werner nickte.
»Sie ist in U-Haft. So richtig toll findet sie es da nicht, wie ich gehört habe.
Sie hat rumgezetert wie eine Furie. Und genau genommen – wir haben außer deiner
Aussage, dass sie bei Dräger im Keller aufgetaucht war, nichts in der Hand. Die
Analysen der Spusi stehen noch aus.«
»Es gibt
Fingerabdrücke, da bin ich ganz sicher. Selbst wenn wir ihr nicht die Beteiligung
an den Morden anlasten können, so reicht es doch mindestens für eine Anklage wegen
unterlassener Hilfeleistung. Sie war Zeugin von Drägers Folter und hat ihn animiert,
nicht mit uns zu spielen, sondern uns drei so schnell wie möglich umzubringen. Die
Frau ist genauso ein Monster wie Dräger, doch warum? Welches Interesse hat sie daran
gehabt?«
Werner zog
seine Aktentasche hervor. »Ich glaube, diese Frage kann ich dir beantworten. Überhaupt
habe ich dir einiges zu erzählen.«
Trotz der
sedierenden Wirkung der Schmerzmittel wuchs Martins Neugier. »Mach es nicht so spannend.
Schieß los. Was hast du rausgefunden?«
Werner hob
abwehrend die Hand. »Langsam, mein Lieber. Lass mich die Show genießen. Eins nach
dem anderen.« Martin ließ sich in
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