Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
werden möchte, als Geiseln gefangen
gehalten. Dräger, der eine Vorliebe für mittelalterliche Foltermethoden hatte, konnte
dank der Umsichtigkeit und Kühnheit des Beamten mit seinen eigenen Waffen außer
Gefecht gesetzt werden. Kommissar Pohlmann, der sich zurzeit nach mehreren Operationen
in einem uns nicht bekannten Krankenhaus von den schweren Verletzungen erholt, die
der Killer Lars Dräger ihm zugefügt hatte, ist außer Lebensgefahr.
Wie uns
in bisher noch nicht bestätigten Meldungen bekannt gegeben wurde, war Pohlmann einem
niederträchtigen Komplott auf der Spur, in das sogar Personen innerhalb hoher gesellschaftlicher
Kreise verwickelt gewesen sind. Innerhalb dieser kriminellen Verschwörungen soll
der Mörder Lars Dräger die Morde auf Anordnung zweier hochrangiger Persönlichkeiten
ausgeübt haben, die die Identität ihrer Väter als ehemalige Kriegsverbrecher schützen
wollten. Ungenannt bleiben wollenden Quellen zufolge soll es ebenfalls um einen
Erbstreit in Höhe von mehreren Millionen gegangen sein.
Und nun
weitere Meldungen des Tages.
Martin sah sich noch den Wetterbericht
an, der das obligatorische Sturmtief im November ankündigte, und schaltete den Fernseher
mit der Fernbedienung aus. Obwohl er genug geschlafen hatte, fühlte er sich ausgelaugt
und brauchte Zeit, die Dinge in seinem Kopf zu ordnen. Vor Martins Auge flackerte
das Bild des blutenden, einäugigen Dräger auf. Angewidert musste er das Gesicht
hinter dem Verband verziehen. Er hatte sich entschieden, ihn nicht zu töten, und
das war gut so. Ja, er war kurz davor gewesen, ihm die Tür des Folterstuhls mitsamt
den Dornen ins Fleisch zu rammen. Die Wut auf diesen widerlichen Kerl hätte drei
Mal für einen Mord gereicht. Eine innere Stimme hatte ihn abgehalten, und er war
froh darüber. Er hatte noch nie einen Menschen getötet und wollte auch nicht damit
anfangen, selbst wenn es sich um Lars Dräger, einen mehrfachen Mörder und Psychopathen,
handelte. Ein weiterer Grund, ihn nicht zu töten, war, dass er Dräger noch brauchte,
vor allem sein schriftliches Geständnis. Was hätte er sonst für die Überführung
der Hintermänner in der Hand gehabt? Er hatte zwar das mündliche Geständnis des
ehemaligen Pflegers, das ihm aber nichts genützt hätte, wenn er ihn getötet hätte.
Da waren noch die Akten, doch er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sie zu sichten.
Und eine weitere Person fiel ihm ein, von der er schwer enttäuscht war: Annegret
Kaschewitz, die selbstsicher als Drägers Verbündete auf der Bildfläche erschienen
war und sich derart über Pohlmann erhoben hatte, weil sie sicher war, dass sowohl
er als auch die beiden anderen den Abend des besagten Tages nicht erleben würden.
Er lebte aber noch, und neue Wut stieg in ihm auf. Er dachte darüber nach, in welcher
Verbindung Annegret mit Dräger gestanden haben könnte. Seine Geliebte war sie sicher
nicht, dafür war ihr Dräger sicherlich zu hässlich. Welchen Anteil hatte sie an
den Morden und vor allem, welches Motiv? Dass sie im Keller von Drägers Haus aufgetaucht
war, wusste nur er. Feldmann und Emilie hatten sie nicht gesehen, im besten Fall
nur ihre Stimme gehört. Somit stand Aussage gegen Aussage. Er dachte nach: Es würde
Fingerabdrücke geben. Ganz sicher, sofern sie nicht wegen der Minusgrade Handschuhe
getragen hatte. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Annegret hätte den Tod von Emilie
Braun billigend in Kauf genommen, doch wozu? Ihr ganzes Leben, ihre Arbeit in der
Klinik waren eine Farce gewesen, ein hinterhältiges Spiel. Ein perfides Doppelleben,
zu dem ein normaler Mensch nicht in der Lage sein konnte , dachte Martin. Sie
hatte diese alte Frau mit Hingabe gepflegt, um sie im nächsten Atemzug einem Schlächter
zu übergeben. Es musste Größeres dahinterstecken, und er ahnte seit Langem, was
es war.
In diesem
Augenblick bedauerte Martin zutiefst, ans Bett gefesselt zu sein. Er war zur Untätigkeit
verdammt. Er hätte alles gegeben, um zu Annegret gehen zu können, ihr in einem Kreuzverhör
die Tränen in die Augen zu treiben. Sie mit Fragen in die Ecke zu drängen, bis sie
einknicken und alles gestehen würde. Danach würde er sich Dräger vorknöpfen, wenn
dies nicht schon längst geschehen war. Martin rechnete nach. Wie lange hatte er
geschlafen? Ganz bestimmt waren seine Kollegen inzwischen aktiv geworden und hatten
Dräger verhört. Die Drecksarbeit hatte er erledigt, ihnen den Killer wie eine reife
Frucht vom Baum geholt. Sie brauchten ihn
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