Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
es zu diesem Wilhelm zu berichten?«
»Wilhelm
Dräger ist, nachdem man ihn zurück zu seinen Eltern gebracht hatte, weiter zur Schule
gegangen und ist mit einem Hauptschulabschluss abgegangen. Er hat eine Lehre als
Tischler gemacht und erst ziemlich spät geheiratet. So mit 40. Ein Jahr später kam
der erste Sohn zur Welt, und nach weiteren zwölf Monaten wurde Lars geboren. Den
Rest kennst du ja. Krebstod des Bruders und Autounfall der Eltern vor drei Jahren.«
Pohlmann
hob die linke Hand. »Das heißt, dass Lars Dräger von seinem Vater einen Haufen genetischen
Schrott geerbt hatte. Außerdem hat ihn sein Vater in der Kindheit misshandelt. Dräger
hat mir seine Narben gezeigt. Der Alte hat sogar eine Zigarette auf seiner Brust
ausgedrückt.«
Catharine
nickte. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
»Tja, so
sagt man. Okay. Das erklärt einiges. Es entschuldigt trotzdem nichts. Es macht das
Geschehene nicht ungeschehen. Es erklärt es vielleicht. Das ist alles.« Martin machte
eine Pause und dachte nach. »Aber jetzt weiß ich immer noch nicht, was das mit meiner
Suspendierung zu tun hat. Wie hängt das alles miteinander zusammen?«
»Du bist
offenbar jemandem zu dicht auf die Pelle gerückt.« Catharine legte Martin die Akte
vor. »Der Großvater von deinem Chef Klaus Schöller war seinerzeit dieser junger
Anwalt. Er war in seiner Jugend mit Wegleiter, Strocka und Dr. Fürst befreundet.
Schöller hatte Beziehungen zu ganz oben und konnte eine Menge Fäden ziehen. Er war
derjenige, der in seiner Eigenschaft als Anwalt die juristische Basis gelegt hatte,
um die Kinder den Eltern wegzunehmen und sie in die Anstalt einliefern lassen zu
können. Es ist also kein Zufall, dass Lars Dräger auf die Kläger angesetzt wurde.
Dräger war ein überzeugter Neonazi, Mitglied einer nationalsozialistischen Partei
und kannte Hartmut Wegleiter und Dr. Maximilian Fürst von rechten Veranstaltungen.
Er verehrte sie regelrecht und war der Meinung, dass er einer großen Sache diene.«
Martin unterbrach
Catharine. »Und Fürst senior kannte seinen Vater, den aggressiven und gewaltbereiten
Wilhelm, an dem er Tests vorgenommen hatte. Vielleicht hatte er seinem Sohn Maximilian
davon erzählt. Dräger ist von Fürst junior oder senior oder irgendwelchen anderen
Nazis ausgebildet worden. Er konnte jedes Schloss mühelos knacken und wusste vor
allem, wie man Menschen tötet. Als er fit genug für den Job war, ist er von Fürst
ins LKH eingeschleust worden, direkt vor die Nase von Professor Keller und Emilie,
und um ein Haar wäre der ganze Plan schiefgelaufen, weil Keller Dräger durchschaut
hat. Immerhin war er Psychiater. Es soll ein Gutachten existieren, in dem er Dräger
für dringend therapiebedürftig erklärt.«
»Und bevor
Keller was gegen Dräger unternehmen konnte, musste er sterben.«
»Genau.
Und natürlich, weil er als Kläger eh eine Gefahr darstellte.« Martin schüttelte
den Kopf in dem Maße, wie es ihm möglich war. »Dieses rechte Gift ist immer noch
nicht ausgemerzt. Wann hört das mal auf?«
Catharine
sah aus dem Fenster, vor dem es dämmerte. »Scheinbar nicht so schnell, wie es uns
lieb wäre. Es durchzieht sogar noch die höchsten Kreise wie ein unzerstörbarer Virus.
Wenn sogar der Polizeipräsident darin verwickelt ist.«
Martin stöhnte
auf. Das Reden strengte ihn an, und in Anbetracht der vielen Gespräche, die er geführt
hatte, empfand er diesen Tag wie einen Arbeitstag, mit dem Unterschied, dass die
tollste Frau der Welt auf seiner Bettkante saß.
Er griff
nach ihrer Hand. »Am Anfang, als ich den Fall übernahm, hatte ich das Gefühl, von
der Verworrenheit erschlagen zu werden. Noch nie hab ich mich so überfordert gefühlt
wie in den letzten zwei Wochen, und wenn ich all das von dir höre und bedenke, hoffe
ich nur, dass ich in der Zukunft damit nichts zu tun haben muss. Ich hasse Intrigen
und dachte, so was gibt es nur in Sizilien, aber doch nicht hier in unserem good
old Germany.«
Martin schaute
zu seinem leeren Infusionsbeutel, der gegen einen neuen ausgetauscht werden musste.
»Ich weiß nicht, ob das meine Aufgabe sein wird, gegen den Polizeipräsidenten zu
ermitteln. Ich glaube kaum, dass man dem was anhängen könnte. In solchen Kreisen
schützt jeder jeden wie in einer Freimaurerloge. Ein Netz aus alten und neuen Verschwörungen,
auf die ich keinen Bock habe.«
»Du wirst
keine Wahl haben, wenn du deinen Job behalten willst. Du musst dich wehren.«
»Ach, weißt
du, ich muss gar
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