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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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nickte.
»Kann sein. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht mehr. Es ist viel zu viel passiert.«
    »Ich hab’s
gelesen. Du bist berühmt.«
    »Eher berüchtigt.
Kennst du die aktuellen Berichte?«
    »Von deiner
Suspendierung? Vom Polizeipräsidenten Schöller persönlich? Ja, kenn ich. Könnte
vielleicht hiermit zusammenhängen.« Catharine zog eine zerfledderte Handakte hervor,
die sie Martin auf die Decke legte, die seinen Bauch bedeckte.
    »Was ist
das?«
    »Hab ich
in unserem Archiv gefunden. Nachdem du weg warst, begann ich zu suchen. Um es kurz
zu machen: Ich habe hier Namen von drei dir bekannten Nazis und einem Mann, der
als junger Anwalt drei mächtige Freunde hatte und nach dem Krieg Karriere als Richter
gemacht hat. Und ein weiterer Name, nämlich den von Emilie Braun, die als Hedwig
Strocka September 1944 in die Kinderfachabteilung Lüneburg eingeliefert wurde, und
zwar mit dem Segen eines jungen Mannes, der als Anwalt und juristischer Beistand
Mitglied im Reichsausschuss war. Das an sich wäre nicht bedeutsam, aber mir ist
noch ein weiterer Name aufgefallen, bei dem ich mich gefragt hab, woher ich diesen
Namen kenne. Erst kurz vor dem Einschlafen fiel mir ein, wo ich den Namen zum ersten
Mal gehört habe, nämlich von dir. Der Name eines geistig zurückgebliebenen Kindes,
das für die Tötung mit Luminal vorgesehen war, und, genau wie Emilie, bis Kriegsende
durchgehalten hatte.«
    »Ich habe
keine Ahnung, von wem du sprichst. Komm, sag mir, wen du meinst.«
    Catharine
lachte. »Tja. Das möchtest du wohl gern wissen. Die Information kostet dich jedoch
eine Kleinigkeit.«
    »Nenn mir
den Preis. Ich zahl dir jede Summe, die ich auftreiben kann.«
    »Ihr Männer
mit eurer Neugier und Ungeduld.«
    »Nun sag
schon den Namen!«
    »Erst bezahlen.«
    Catharine
rückte auf der Bettkante weiter zu Martin vor und neigte sich zu seinem bandagierten
Kopf. Sie wollte es ihm in Anbetracht seiner Unbeweglichkeit leicht machen und sich
die Bezahlung selbst holen. Sie gab ihm einen schüchternen Kuss auf die trockenen
Lippen. Er war so zart und flüchtig, dass er in Martins Zustand auch hätte Einbildung
sein können, doch er wusste, dass dieser Kuss kein Produkt seiner fiebernden Fantasie
war. Er spürte die Lippen noch auf den seinen, bis ihn seine Neugier trieb.
    »Also? Wer
ist es?«, sagte er lächelnd.
    Catharine
grinste verschmitzt. »Darauf kommst du nie.«
     
    *
     
    Catharine berührte die gesunde Hand
Martins, als sie zu erzählen begann. Es war mehr ein unabsichtliches Streifen seiner
rauen Finger, und doch ging von dieser Berührung etwas Magisches aus. Martin war,
als würde für die Dauer eines Lidschlags die Zeit stehen bleiben, und er wurde von
einer Woge der Erleichterung und der Entspannung erfasst. In dieser einen Berührung
fand er so viel Zärtlichkeit und Liebe, wie er sie zuvor noch von keinem Menschen
erlebt hatte. Obwohl er diese Frau nicht wirklich kannte, hatte er das Gefühl, sie
ewig zu kennen, mit ihr seelenverwandt zu sein. Eine gemeinsame Achse schien sie
zu verbinden. Martin begann, etwas Wundersames in dieser Beziehung zu erahnen, und
der Begriff Bestimmung flackerte in seinen Gedanken auf.
    »Was ist
mit dir?«, fragte Catharine lächelnd. »Du siehst mich so merkwürdig an.«
    Martin lachte
trotz der Schmerzen, die Minuten vorher sein Gehirn in Beschlag genommen hatten.
Sie schienen von einer hohen Dosis Endorphinen ihrer Macht beraubt worden zu sein.
»Wie sehe ich dich denn an? Ich sehe mit der Augenklappe aus wie Kapitän Hook.«
    »Du machtest
auf mich den Eindruck, als wenn du ganz weit weg warst.«
    Martin wagte
einen ersten Vorstoß und das, was er sagte, entsprach der absoluten Wahrheit. Überhaupt
hatte er das Bestreben, dieser Frau gegenüber nur bei der Wahrheit bleiben zu wollen.
Und nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Er hatte die Gewissheit, dass er
hier einen Menschen vor sich hatte, dem man nichts vormachen konnte und auch nicht
wollte. In dessen Gegenwart die Maske vom Gesicht abfällt, wie das Herbstlaub vom
Wind erfasst wird.
    »Ich habe
deine schönen Augen bewundert. Dafür reicht mir sogar das eine aus.«
    Eine dezente
Röte legte sich wie ein feiner Schleier auf Catharines Wangen. »Wie wird es erst
sein, wenn du wieder auf beiden Augen sehen kannst?«
    »Dann werde
ich nie wieder wegsehen wollen.« Martin hörte, wie er diese Worte sprach, und konnte
nicht glauben, dass sie seinem Mund entschlüpft waren. Er hatte sie gesagt, ohne
nachzudenken, ohne zu

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