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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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Kinderzimmer. Küche, Bad, aber nicht
über 800 Euro im Monat.« Martin nickte und grinste hinter der Zeitung. Er hatte
längst das Traumschloss für sich und seine Familie gefunden, ein Penthouse über
den Dächern von Lüneburg. Mit einem Fahrstuhl von der Tiefgarage direkt bis in die
Wohnung, davon hatte er schon immer geträumt. Am Abend würde die feierliche Wohnungsbesichtigung
mit einem winzigen Schlückchen Champagner für Catharine sein. Es fiel ihm schwer,
sich nicht zu verplappern, und so nickte er nur schweigsam hinter der Zeitung.
    Nach dem
Essen unternahmen sie noch einen Bummel durch die idyllischen Seitenstraßen der
Altstadt. Dort würde eine Überraschung auf sie warten, auf die er sich besonders
freute.
    Martin blieb
vor einem Geschäft stehen und musterte sich in der Fensterscheibe. Ein letztes Mal,
bevor er der prominenten Dame gegenübertrat, begutachtete er sein Outfit. Die dunkelgrauen
Haare, die keine, seinerzeit von der Eitelkeit verordnete, Tönung mehr nötig hatten,
waren straff nach hinten gekämmt und in ein Gummiband gezwängt. Zusätzlich zu seinem
Schnurrbart hatte er sich einen Bartstreifen unterhalb der Unterlippe wachsen lassen.
Er fand, aber diese Ansicht teilte Catharine nicht, er sähe jetzt aus wie Sean Connery
im ›Highlander‹ an der Seite von Christopher Lambert, nur eben nicht ganz so gut
und nicht ganz so schlank. Martin glättete das Hemd, das sich über dem Bauch spannte.
Sie gingen weiter und kamen an einen Buchladen, dessen Auslage liebevoll dekoriert
war. Im Fenster hing das Poster eines Buches, dessen Neuerscheinung erst wenige
Tage zurücklag und das für einigen Wirbel gesorgt hatte. Ein namhafter Hamburger
Verlag war auf dieses außergewöhnliche Werk von einer ebenso außergewöhnlichen Autorin
aufmerksam geworden.
    Martin und
Catharine gingen hinein, ein Glöckchen ertönte. Eine Schlange von neun Personen
wand sich durch die engen Reihen des Buchladens. Es duftete nach auf Papier gebannter
Fantasie, und die Leser warteten darauf, ein Exemplar signiert zu bekommen.
    Martin und
Catharine standen geduldig in der Reihe. Zwei Meter von dem Tisch entfernt, hinter
dem eine ältere Dame saß und signierte, konnten sie ein Buch von dem bereitstehenden
Stapel nehmen. Es trug den Titel ›Hinter verschlossenen Türen‹,war 435 Seiten
dick und wurde als bester Newcomer des Jahres gehandelt. Die Autorin hieß Hedwig
Strocka, die in einem feinen, etwas eigenwilligen Kostüm hinter dem Tisch saß. Um
den Hals war ein farbiges Seidentuch geschlungen. Ihr Haar war professionell gelockt
und mit einer zu kräftigen violetten Tönung verjüngt. Dünne Finger hielten einen
Stift, und die Augen, die endlich durch eine randlose Brille scharf sehen konnten,
verfolgten den entspannten Schriftzug ihres eigenen Namens, den sie auf die leere
Seite gleiten ließ. Sie gab das Buch dem Mann vor Martin und wandte sich dem nächsten
Besucher zu.
    »Was darf
ich schreiben?«, fragte die Dame, ohne aufzublicken.
    Martin reichte
ihr ein Hardcover-Exemplar.
    »Für Martin,
bitte.«
    Hedwig Strocka
alias Emilie Braun blickte auf und hatte sogleich Tränen in den 71-jährigen Augen.
    Mit Martins
Hilfe hatte sie sich in Lüneburg eine Eigentumswohnung gekauft und bekam zwei Mal
in der Woche Besuch von einem ambulanten Pflegedienst. Die Medikamente, die sie
bekam, waren auf ein Minimum reduziert worden: eine weiße, bittere Pille gegen die
Schlaflosigkeit und noch eine, aber nur ganz selten, gegen ein bestimmtes Anfallsleiden
bei über ihr zusammenstürzenden Erinnerungen.
    Die Buchhandlung,
in der sie saß, war zwei Monate zuvor ihre eigene geworden. Sie stammte von einer
jungen, bibliophilen Buchhändlerin, die sich finanziell übernommen hatte. Über ihrer
Liebe zu Buchstaben hatte sie die Zahlen aus dem Blick verloren. Emilie hatte den
Laden für 120.000 Euro erworben und die ehemalige Buchhändlerin als Geschäftsführerin
eingestellt. Diese verdiente nun mit ihrem Festgehalt mehr als vorher in ihrer Selbstständigkeit.
Emilie war es egal, ob das Geschäft Überschuss erwirtschaftete oder nicht, sie würde
es sich leisten können, die nächsten 20 Jahre zuzuschießen, und bot dem Buchgiganten
nebenan erfolgreich die Stirn. Er hatte es sich zu leicht vorgestellt, sich diesen
Laden mit einem kräftigen Atemzug einverleiben zu können. Er hatte nicht mit der
Sturheit von Emilie und ihrer Liebe zu kleinen, netten Buchläden gerechnet.
    Täglich
besuchte Emilie ihr Geschäft, und was sollte sie

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