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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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2010
     
    Martin langweilte sich mittlerweile
zu Tode, als er in der dritten Woche die Rehabilitationsmaßnahmen in der Curschmann-Klinik
in Timmendorf absolvierte. Es ging hauptsächlich um die Mobilisierung seines rechten
Armes nach der Schulter-OP und die Beweglichkeit der Finger, die trainiert werden
musste. Der Gips war ihm aufgrund der unzähligen Schrauben und Nägel frühzeitig
entfernt worden, wobei er sich fragte, welche Folter er als schlimmer empfand, die
von Dräger oder die der unbarmherzigen Physiotherapeuten, die ihn täglich bis zu
vier Mal antreten ließen.
    Der einzige
Lichtblick dieses Tages war, dass sich Werner Hartleib für einen Besuch angekündigt
hatte. Zwar steckte er noch auf der A 1 in einem schneebedingten Stau. Er würde
es schaffen, hoffte Martin.
    Gegen elf
Uhr traf Werner in der Eingangshalle der Cursch–mann-Klinik ein und schüttelte den
Schnee von der Jacke. Ein großer Weihnachtsbaum, der bis unter die Decke reichte,
war in der Eingangshalle aufgebaut worden und empfing jeden Besucher. Das Thermometer
zeigte minus drei Grad. Es schien ein harter Winter zu werden, wie das Jahr zuvor.
    Sogleich
erblickte er Martin, der im Empfangsbereich der Rezeption auf ihn wartete. Freudig
begrüßte Werner seinen Freund und überreichte ihm einen großen Nikolaus aus Schokolade.
Er betrachtete ihn eingehend. Er hatte einige Kilo abgenommen, war seit vier Wochen
erfolgreicher Nichtraucher und sah so erholt aus, wie er es am Flughafen Anfang
November bei seiner Ankunft aus Ecuador hätte sein sollen. Er war rasiert, bis auf
seinen Schnurrbart, und hatte das Haar um sage und schreibe fünf Zentimeter kürzen
lassen. Genau genommen hatte er die Friseurin in der Klinik in seiner Eigenschaft
als Polizist bedroht, nur die Spitzen zu schneiden. Seine Haut wies keinerlei Pickel
und Unreinheiten mehr auf. Man hatte in einem Allergietest eine spezielle Pfefferart
als Auslöser seiner Probleme herausgefunden. Die Sonne hatte keine Schuld gehabt,
sondern seine Freundin Mayra.
    »Hey, wie
geht es dir?«, fragte Werner. »Was machen die Schulter und die Finger?«
    Martin hob
den rechten Arm wie ein flügellahmer Albatros und versuchte mit den Fingern, auf
einer unsichtbaren Klaviatur zu klimpern. »Geht schon ganz gut. Dr. Frankenstein
hat mich wieder zusammengesetzt. Ich denke, in ein paar Wochen kann ich mich wieder
prügeln.«
    »Wollen
wir einen Spaziergang machen oder lieber drinnen bleiben? Es hat aufgehört zu schneien.«
    »Okay. Lass
uns rausgehen. Ich ziehe mich nur eben um. Wartest du hier?« Werner nickte und nahm
in einer eleganten Sitzgruppe Platz.
    Nach fünf
Minuten kam Martin mit Winterstiefeln, einem HSV-Schal und einer fellbesetzten Lederjacke
zurück. Auf dem Kopf trug er eine bunte, handgestrickte Pudelmütze. Werner musterte
ihn, besonders die Mütze.
    »So gehe
ich keinen Meter mit dir vor die Tür.«
    »Die, mein
Lieber, trage ich mit Stolz. Die hat mir Emilie geschenkt, nachdem ich ihr das Meer
gezeigt habe.«
    »Du meinst,
nachdem du sie wieder entführt hast.«
    »Stimmt.
Ich war mit ihr am Strand, nach der Ehrenfeier von Keller, und als ich sie zurückgebracht
habe, hat sie gesagt, ich solle kurz warten. Sie sei gleich wieder da. Zehn Minuten
später kam sie mit dieser Mütze zurück. Für den Winter, meinte sie und war so glücklich,
dass sie mir etwas Gutes tun konnte. Ich hätte sie zutiefst beleidigt, wenn ich
die nicht angenommen hätte. Und jetzt bin ich froh, dass ich sie hab, auch wenn
ich damit bescheuert aussehe. Also, lass uns gehen.«
    Martin und
Werner strebten durch die imposante Drehtür der Orthopädischen Klinik und steuerten
die Promenade an. Der Himmel hatte seine letzten Flocken zur Erde geschickt, und
nachdem keine Wolken für diesen Job mehr zur Verfügung standen, behauptete sich
die Sonne. Der eisige Meereswind ließ die Nasen gefrieren.
    »Ich nehme
an, du hast heute die Zeitung gelesen.«
    Martin nickte
und band den Schal um den Hals. »Meinst du, sie werden Erfolg haben?«
    »Der Inhalt
des Prozesses wird auf mehrere Ebenen verteilt sein. In erster Instanz geht es Alois
darum, als Wegleiters Sohn juristisch anerkannt zu werden. Die genetischen Analysen
haben das ja eindeutig belegt. Sein richtiger Name ist übrigens Karl. Karl Wegleiter.«
    »Wie hat
der alte Wegleiter eigentlich reagiert? Er hatte doch abgestritten, außer seinem
Sohn Hartmut einen anderen Nachkommen gezeugt zu haben.«
    »Tja. Er
konnte es nun ja nicht mehr leugnen. Was ihn allerdings

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