Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
nicht tätest, würdest du sie beleidigen. Sie hat sich mit der Klinikleitung besprochen.«
»War Dr.
Schillig auch dabei?«
»Er soll
gekocht haben vor Wut. Er kann dich nicht ausstehen, aber Emilie will es so. An
dir hat sie einen Narren gefressen.«
»Wie will
sie eigentlich jetzt heißen?«, fragte Martin.
»Immer noch
Emilie. Sie will sich nicht mehr umgewöhnen. Sie sagt, was sind schon Namen.«
Beide schwiegen
wieder für einige Schritte und genossen den klaren, sonnigen Tag. Ein Ereignis,
das in Hamburg und Umgebung nicht oft vorkam.
Martin fielen
die Unterlagen aus Berlin, die ihm Frau Kassner zugeschickt hatte, ein. »Was stand
eigentlich alles in den Papieren aus Berlin?«
»Unter anderem
Korrespondenzen von Franz Wegleiter, in denen er über seine ›Heldentaten‹ berichtet.
Er schreibt unverblümt, wie viele Partisanen er liquidieren durfte . Man hat
ein grafologisches Gutachten erstellt und es eindeutig Wegleiter zugeordnet. Es
gab noch Fotos von ihm und seinen Kameraden in Italien. Dieses eine vor dem Ortsschild
in Carrara, das du schon kennst, war auch dabei. Außerdem, und das dürfte der Knaller
schlechthin sein, war eine Beurteilung seines Kommandanten dabei, in der er über
Wegleiters Aktivitäten Auskunft gibt. Man hatte Wegleiter Anfang ’45 aus Italien
abgezogen, weil er eben nicht nur Partisanen abgeschlachtet hat, sondern jeden Italiener,
der ihn schief angesehen hatte. Er brachte Zivilisten, Frauen und Kinder um, weil
ihm ihre kommunistischen Nasen nicht passten. Aus purer Lust am Töten. Der Staatsanwalt
wird keine Mühe haben, ihn anzuklagen. Lebendig wird der Alte den Knast sowieso
nicht mehr verlassen.«
»Das wird
den Opfern auch nicht mehr helfen.«
»Trotzdem
ist es wichtig, auch wenn es schon so lange her ist. Es hilft den Angehörigen der
Ermordeten. Mord verjährt nie, hast du doch selbst gesagt.« Martin nickte. »Was
ist mit dem alten Dr. Fürst, dem arroganten Arsch?«
»Eingebuchtet.
Untersuchungshaft. Ich hoffe, der sieht seine schicke Bude in Blankenese nie wieder.«
»Konnte
man Maximilian Fürst Anstiftung zum Mord nachweisen? Und Hartmut Wegleiter? Was
ist aus der Wahl geworden?«
Werner blieb
stehen und kickte mit dem Fuß eine große Muschel über den Sand. »Mensch, du hast
ja wohl gar nichts mitgekriegt, oder? Liest du keine Zeitung?«
»Unregelmäßig.
Ich schreib mir lieber mit Catharine. Davon hab ich mehr. Ich hab mir gedacht, ich
werd’s schon noch früh genug erfahren.«
»Fürst und
Wegleiter junior sind beide noch auf freiem Fuß. Bei denen ist das Ganze nicht so
einfach. Sie sind ziemlich raffiniert vorgegangen und haben mächtige Anwälte. Bei
Maximilian Fürst fallen unregelmäßige Abbuchungen in etwa der Höhe auf, die Dräger
bekommen haben will. Aber Geld auszugeben, ist ja nicht verboten. Die Beziehung
zu Annegret ist auch nicht strafbar. Außerdem leugnet sie, dass sie bei Dräger im
Haus war. Wir haben von ihr keine Fingerabdrücke in Drägers Keller gefunden. Sie
streitet alles ab und geht sogar wieder ganz normal zur Arbeit. Wir konnten sie
nicht länger dabehalten. Ein Anwalt, den Fürst engagiert hat, hat sie rausgehauen.«
»Mist.«
Pohlmann trat gegen einen Sandhaufen.
»Was ist
mit Hartmut Wegleiter?«
»Leugnet
natürlich auch alles. Was hast du erwartet? Dass sie freiwillig die Wahrheit sagen
und sich als Mörder oder Anstifter zum Mord outen? Ein Gutes hat es aber doch. Man
hat Wegleiter nach den Meldungen in der Presse nahegelegt, den Parteivorsitz abzugeben.
Er ist am nächsten Tag von seinem Posten zurückgetreten. Hast du das auch nicht
gelesen?«
Martin schüttelte
verlegen den Kopf.
»Mensch,
musst du verliebt sein.«
Martin ging
nicht auf diese Bemerkung ein. Ihm ließen die Gedanken an die noch ausstehende Gerechtigkeit
keine Ruhe. »Das ist zu wenig, Werner. Sechs Menschen sind gestorben. Dräger war
nur eine Marionette. Die Drahtzieher müssen verknackt werden.«
»Bleib ruhig,
Martin. Wir bleiben dran. Wir kriegen sie schon. Denk nicht, dass die Sache erledigt
ist. Die Presse ist erst mal damit zufrieden, dass der Mörder gefasst beziehungsweise
tot ist, und die Bevölkerung atmet auf. Der Rest dauert eben etwas länger. Die beiden
haben gute Verbindungen und viele Freunde. Selbst wenn Dräger noch lebte, müsste
das nicht zwangsläufig bedeuten, dass er auch gegen sie ausgesagt hätte. Er hat
bei dir in Erwartung des Todes ein Geständnis abgelegt. Na und? Nichts davon hast
du schriftlich.«
»Das
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