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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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erzählt. Eine Sammelklage von sechs Klägern.
Allesamt Menschen, die als Kinder in sogenannten Lebensbornheimen zur Welt kamen.
Sie wissen schon, diese vor der Öffentlichkeit verborgenen elitären SS-Kinderheime.
Na ja. Jedenfalls wollten diese Leute im Nachhinein den Staat Deutschland verklagen.
Sie hofften auf Wiedergutmachung und Anerkennung ihrer Identität. Es ging in einer
Nebenklage auch um mögliche Erbansprüche oder Ähnliches. Ich kenn mich nicht so
gut damit aus. Na, jedenfalls trat Professor Keller in diesem Verfahren als ärztlicher
Gutachter auf, eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der NS-Verbrechen, eben
auch der Lebensbornideologie und vor allem der psychologischen Auswirkungen auf
die Kinder. Viele dieser Kinder, die damals in Lebensbornheimen zur Welt kamen,
kennen bis heute nicht ihre Eltern. Wissen nicht um ihre Wurzeln und leiden unter
ihrer mangelnden Identität.«
    Pohlmann
trat von einem Fuß auf den anderen. Er kannte die Berichte über jene Heime aus seinem
Studium.
    »Dem Führer
ein Kind schenken, schon klar.«
    »Das Interessante
dabei ist, dass auch Frau Braun als Nebenklägerin auftrat.«
    Pohlmann
hob die rechte Augenbraue.
    Lorenz wehrte
mit den Händen ab. »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Natürlich lebt sie in
einer Psychiatrie, aber sie ist nicht entmündigt oder Ähnliches. Sie hat sich vor
vielen Jahren selbst eingewiesen und lebt quasi stationär in der Klinik. Sie ist
ein Sonderfall. Der Staat kommt für sie auf. Sie hat keine Wohnung mehr und könnte
eh nirgendwo wohnen, außer im LKH.«
    Pohlmann
ging ein paar Schritte in Lorenz’ Büro umher.
    »Ich sehe
allerdings noch nicht die spezielle Problematik.«
    »Ist doch
ganz einfach. Wenn sich diese Beschuldigung als wahr erweisen sollte, müsste man
nicht nur die Feierlichkeiten abblasen, sondern überdies die Öffentlichkeit informieren,
und das würde den guten Ruf der Klinik ruinieren. Zum Leidwesen aller Patienten,
die dort gepflegt und medizinisch betreut werden.«
    »Ich verstehe«,
sagte Pohlmann. »Und Sie meinen, ich sei der richtige Mann dafür, diesen Fall wieder
aufzurollen?«
    Lorenz kam
hinter seinem Schreibtisch hervor und ging auf Pohlmann zu. Er klopfte ihm auf die
Schulter. »Nun, wie es aussieht, haben nicht wir uns den Fall ausgesucht,
sondern der Fall hat uns ausgesucht, genauer gesagt, Sie . Außerdem
kommen Ihnen Ihre fundierten Kenntnisse über die NS-Zeit zugute.«
    Pohlmann
schüttelte den Kopf. »Chef, mein abgebrochenes Geschichtsstudium ist Lichtjahre
her.«
    »Trotzdem.
Ich kenne keinen Beamten im Präsidium, der sich so gut auskennt wie Sie.« Pohlmann
resignierte in Anbetracht aller ihn erdrückenden Fakten, warum nur er für den Fall
infrage komme.
    »Okay, ich
mach es. Aber nur unter einer Bedingung.«
    Lorenz blickte
über die randlose Brille und sah Martin kritisch an. »Ja, ich weiß schon. Sie wollen
den Fall auf Ihre Weise lösen.« Pohlmann schmunzelte und nickte. »Genau.«
    Mit den
Unterlagen im Arm und der Gewissheit, dass er soeben einen gewaltigen Fehler gemacht
hatte, verließ er das Büro. Alle Vorsätze, sich aus der Sache auszuklinken, waren
gescheitert, und eine Welle, bestehend aus einer Mischung aus Furcht, Überforderung,
aber auch Neugier, überrollte ihn. Vorbei die Zeit am Strand, vorbei der Müßiggang
und vorbei das Mixen von Caipirinha, Bahama Mama, Mojito und Margarita.
    Ein Fall
wie jeder andere, redete er sich ein, doch welche Erlebnisse ihn erwarten sollten
und welche Wahrheiten ans Licht drängten, ahnte niemand im ganzen Präsidium.

Kapitel 11
     
    Hamburg, 3. November 2010
     
    Ewig hätte es vermutlich auf diese
Weise nicht weitergehen können. Wo gab es auf dieser Welt noch ein perfektes Paradies?
Doch Martin gestand sich ein, er war nah dran gewesen. Zumindest die ersten Monate.
Er gönnte sich eine erneute Rückblende. Glitzernde, aus dem Atemloch am Rücken der
Wale emporsprühende Fontänen, deren Tröpfchen sich in der Sonne wie Diamanten spiegelten
und jedem Touristen Begeisterungstränen in die Augen trieben. Tiefblaues Meer, das
sich am Horizont mit ebensolch farbenem Himmel vereinte. Kleine, willkommen geheißene,
weil schattenspendende Wölkchen und eine Unterwasserwelt, die jedem Taucher ein
unvergessliches Erlebnis bescherten. Obgleich der Pessimismus in der Welt der Wissenschaft
über die Zukunft der Korallen groß war. Martin erinnerte sich an einen Zeitungsartikel,
den er auf seiner von Palmen beschatteten Veranda gelesen

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