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Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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gerade unsere Tochter zur Tagesmutter gebracht«, ergänzte Stephan entschuldigend.
    »Haben Sie sich schon um einen Platz in einer Kindertagesstätte bemüht?«, hakte Trost nach.
    »Wissen Sie, wie viele Plätze dem tatsächlichen Bedarf gegenüberstehen?«, fragte Stephan zurück. »Wir stehen weit hinten auf der Liste.«
    »Es ist viel im Argen in unserer Gesellschaft«, kommentierte Trost. »Ein jeder muss sehen, wo er bleibt. Kein Vergleich zu früher. Alles wird enger. Die Menschen verlassen sich nicht mehr auf die altbekannten Strukturen. Überall sind die Signale sichtbar: Nehmen Sie die erhebliche Zunahme von Glücksspiel, die Sucht nach Wahrsagung, die Hinwendung zu Sekten oder Parallelgesellschaften. Jeder merkt intuitiv, dass sich unsere Gesellschaft auf Dauer nicht mehr wird tragen können. Der Mangel wird spürbar – und folglich die Neigung, sich von überflüssigem Ballast zu befreien!«
    Stephan staunte über die Leidenschaft, die Trost aus dem Augenblick heraus für dieses Thema entwickelte und sich daran wie in einem vorbereiteten Referat abarbeitete.
    »Man will keine Solidarität mehr mit denen, die nur nehmen und nichts geben«, ereiferte er sich weiter. »Sei es auf politischer oder nur zwischenmenschlicher Ebene: Allein die Leistung zählt, kein Schmarotzertum! – Denken Sie daran, was Sie und Ihre Freundin in diese Gesellschaft eingebracht haben. Kann der Dank darin bestehen, dass Sie keinen Kindertagesstättenplatz finden werden, Herr Knobel? Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Gerade Sie als Anwalt werden doch so denken müssen. Sie und Ihre Freundin sind Leister, keine Nehmer. Ich kann mich über solche Ungerechtigkeiten nur aufregen, Herr Knobel! – Verzeihen Sie!« Er atmete seufzend aus. »Wenn ich so etwas höre, kann ich die Klappe nicht halten«, entschuldigte er. »Sie haben die Akte also noch nicht gelesen«, stellte er fest. »Gut. Genauigkeit geht stets vor Schnelligkeit. Herr Wendel steht ja auch nicht unter Zeitdruck, oder?«
    »Warum haben Sie ihn damals verteidigt?«, fragte Stephan.
    »Obwohl ich wusste, dass er ein Fummler ist, meinen Sie?«, vergewisserte sich Trost. »Weil es zu meinen Grundüberzeugungen gehört, dass jeder Straftäter Anspruch auf eine rechtsstaatliche Verteidigung hat. Natürlich wusste ich aus meiner Tätigkeit als Schulpflegschaftsvorsitzender weit mehr über Wendel, als selbst im Mordprozess auf den Tisch kam. Vielleicht war mein Wissensvorsprung sogar gut für ihn, denn ein unbedarft an den Fall herangehender Kollege wäre vielleicht ins Trudeln geraten, wenn Stück für Stück Wendels merkwürdige Neigungen ans Licht gekommen wären. Sicher – genutzt hat es ihm im Ergebnis nicht. Lebenslang ist lebenslang. Aber er hat eine Verteidigung bekommen, in der ich alles versucht habe. Mehr geht nicht, und genau diese Leistung ist jene, auf die der Angeklagte ein Recht hat. Als Verteidiger heiße ich ja nicht die Taten meines Klienten gut – und ich mache mich erst recht nicht mit ihm gemein. Wir wissen doch alle, dass der Angeklagte kein Prozesssubjekt ist, auch wenn wir Juristen das immer anders darstellen. Er mag seine Rechte und auch das letzte Wort haben, aber in Wirklichkeit ist er doch Prozessobjekt. Mit ihm wird etwas gemacht, denn er wird in den Knast geschickt, wenn das Gericht keinen Zweifel an seiner Schuld hegt. Also leben die Rechte des Angeklagten und seine manchmal verschwindend kleinen Chancen nur durch mich, der sie geltend macht und taktisch klug in den Prozess einführt. Und deshalb ist das, wenn Sie so wollen, mein Spiel, das ich so gut wie möglich spiele, ohne dass ich der Leidtragende bin, wenn es schiefgeht. Es gehört also ein wenig Abstraktion dazu. Wenn man sich einzig auf die dem Verteidiger zugewiesene Verfahrensrolle beschränkt, dann verteidigt man beispielsweise einen Mörder nicht, um seinetwegen den Freispruch zu erreichen, sondern allein aus dem Grund, mit rechtsstaatlichen Mitteln ein Ergebnis zu erreichen, das dem Verteidiger selbst zur Ehre gereicht. Ich bin da ganz ehrlich und direkt, Herr Knobel! Gelingt mir das, habe ich Staatsanwaltschaft und Gericht besiegt. Es ist mein Sieg, mein Erfolg. Aber ich habe doch nicht eine wirkliche Freude daran, dass der, der mir möglicherweise anvertraut hat, der Täter zu sein, danach frei herumlaufen kann. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wird jemand verurteilt, der auch wirklich der Täter ist, kann ich für mich in Anspruch nehmen, alle rechtlichen Möglichkeiten

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