Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
mit edlen Mahagoniintarsien. Traunhof hatte auf allen Plätzen eingedeckt. Auf dem Tisch standen diverse Weine, deren Etiketten eine noble Herkunft verrieten, dazwischen Karaffen mit Wasser, kunstvolle niedrige Blumengebinde, die den Blick über den Tisch nicht beeinträchtigten. Stephan spürte, dass Marie recht behalten hatte. Sie hatte ihm vor seiner Abfahrt nicht nur über ihre Erlebnisse im Landgericht berichtet, sondern auch mit gespieltem Mitleid gespottet, dass Stephan am heutigen Abend – wie sie sagte – in einer anderen Liga mitspielen wolle. In der Tat scharten sich um den Tisch Frauen und Männer, die jedenfalls ein gewisser Reichtum verband. Wer hier saß und Mitglied war, gehörte zumindest nach eigenem Verständnis zur Oberschicht, und Stephan war sofort klar, dass ein Treffen der ›Zehn‹, wenn er denn jemals zu dieser Gruppe gehören würde, niemals daheim in seiner kleinen Mietwohnung im Vorort Asseln würde stattfinden dürfen. Trost hatte Stephan alle weiteren acht Mitglieder einzeln vorgestellt, doch in seiner Nervosität hatte Stephan schon wieder einige Namen vergessen, als er auf Trosts Bitte direkt zwischen ihm und dem Gastgeber Traunhof Platz nahm. Gereon Trost schien Stephans Gedanken erraten zu haben und fing ihn in seiner Ansprache fürsorglich auf, die er stehend und in der ihm eigenen gekonnten Rhetorik hielt.
»Heißen wir unseren Gast und meinen Kollegen, Herrn Rechtsanwalt Stephan Knobel, herzlich willkommen, der, obwohl ich ihn erst seit kurzer Zeit kenne, nach meiner festen Überzeugung unsere wesentlichen Ideale und Leitbilder mit flammendem Herzen teilt. – Wer, wie wir beide, Jurist ist, sich gar als Anwalt sozusagen stets im Kern unserer Gesellschaft bewegt, der kennt binnen kurzer Zeit die Schwächen unseres Gemeinwesens. Gleichmacherei ist ein wiederholt gescheitertes politisches Konzept, und es muss immer wieder scheitern, weil nicht alle Menschen in der Gesellschaft einander gleich sind. Es gibt Schwache und Starke, Dumme und Schlaue, Arme und Reiche und so fort. Es ist nicht verlogen oder verwerflich, sich der Gruppe zugehörig zu fühlen, der man auch tatsächlich angehört. Und deshalb ist es kein Makel, sich glasklar dazu zu bekennen, auf der goldenen Seite der Gesellschaft zu stehen. Ich sage nicht: Stehen zu dürfen, denn wir dürfen nicht nur das sein, was wir sind. Wir stehen da, wo wir sind, weil wir uns diesen Platz erarbeitet haben. Wenn sich also Menschen unseres Formats zusammenschließen, um einander die Hand zu reichen, sich wechselseitig geistig zu befruchten und auch wirtschaftlich zu stärken, dann ist das legitim und sinnvoll. – Ja, wir tun uns selbst gut«, resümierte er selbstzufrieden und registrierte feinsinnig die schweigende Zustimmung aus der Runde.
»Sie, lieber Herr Knobel, sollen heute erstmals in unsere Gruppe hineinschnuppern. Und umgekehrt wollen wir Sie beschnuppern!« Er lächelte Stephan aufmunternd an. »Noch ist alles ungewohnt für Sie, und viele für Sie unbekannte Gesichter, die sich ihrerseits untereinander bestens kennen, verunsichern natürlich. Ich bin überzeugt, dass Sie nicht mehr alle Namen im Kopf haben, aber Sie werden uns alle nach und nach kennen – und ich hoffe, auch schätzen lernen. Linker Hand von Ihnen sitzt Herr Traunhof, Arzt und Eigentümer dieses herrlichen Hauses, in dem wir schon so oft zu Gast sein durften, dann – ich gehe einfach im Uhrzeigersinn weiter – Christiane von Uebelronn, Professor Magnus Stellrain-Richter, Beatrice Harfmahler, Lutz Böhringer, Dr. Dennis Frockel, Marita Mantowiak und Johannes Malzerfeld. Damit sind wir wieder bei mir angelangt. Das also sind wir, lieber Herr Knobel. Alle Welt redet von Netzwerken. Aber entscheidend ist doch nicht, dass es irgendein Netz ist. Entscheidend ist, aus welchen Seilen das Netz geknüpft ist. Lassen Sie sich auf uns ein, Kollege Knobel, und genießen Sie mit uns einfach einen schönen Abend. Ich heiße Sie nochmals herzlich in unser aller Namen willkommen!«
Unter dem Beifall der anderen hob Trost sein Glas mit edlem Weißwein, blickte lächelnd in die Runde und sah dann Stephan an, der sein Glas hob. Nun stieß man allseits miteinander an.
Im Anschluss begann eigens für diesen Abend angestelltes Personal, die Vorspeise zu servieren. Gleichzeitig ging eine Namensliste herum, auf der sich die Teilnehmer eintrugen.
»So etwas diszipliniert und hat Protokollfunktion«, erläuterte Traunhof vertraulich. »Man kann noch nach Jahren
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