Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Platz zu finden, der Gelegenheit bot, sich ohne Zeitdruck und äußere Ablenkung zu erklären. Stephan sah gedankenverloren vom Bett aus durch das Fenster in die pechschwarze Nacht. Hier oben, wo es keine anderen Licht- und Geräuschquellen gab, war die Nacht tatsächlich schwarz und still. Nur ein fernes Grollen erinnerte an das nun abgezogene Gewitter.
Stephan merkte erst jetzt, dass er in der noch nicht gewechselten Kleidung nach Schweiß roch, doch er wollte nicht den Waschraum im Untergeschoss aufsuchen. Die vom Hüttenwirt so bezeichnete Murmeltier-Suite, gedacht für verliebte Paare, war ein kleiner Schutzraum in dieser Hütte, in der sein engster Freund der Hüttenwirt war, der von dieser Rolle nichts ahnte.
29
Marie hatte Elisa beruhigen können und nach einer halben Stunde ins Bett gelegt. Dann rang sie sich durch und wählte die Nummer der Chamanna Jenatsch. Es dauerte eine Weile, bis sich der Hüttenwirt meldete. Als Marie darum bat, Stephan zu sprechen, wurde er unwirsch.
»Ihr müsst daheim bleiben, wenn ihr euch nicht einmal für zwei oder drei Tage aus der Zivilisation lösen könnt. Ich bin nicht euer Telefondienst.«
Der Hüttenwirt schnaufte. Er stellte sich Marie als überdrehte Städterin vor, der ein Leben in den Bergen als ein gefährliches und nur mit Unannehmlichkeiten verbundenes Abenteuer vorkommen musste, auf die sie sich – wohl behütet und von allem Komfort verwöhnt – niemals einlassen würde.
»Der gute Stephan schläft in einem Extrazimmer«, antwortete er. »Wohlbehütet wie in einer Murmeltierhöhle. Ich selbst habe ihn dorthin begleitet. Reicht Ihnen das? Er wird bestimmt tief schlafen, nachdem er in dem Zimmer mit den anderen nicht übernachten wollte. Er mag nämlich keine Schlafsäle.«
»Dann sind also auch noch andere da?«
»Natürlich, hier oben sind Sie nie allein«, antwortete der Hüttenwirt. »Ihrem Freund geht es bestens. Sind Sie jetzt zufrieden?«
Marie war erleichtert, jedoch nicht richtig zufrieden. Doch es war offenkundig, dass der Hüttenwirt ihrem Drängen nicht weiter nachgeben würde.
Kurz nach dem Telefonat mit dem Hüttenwirt rief Sarah Wendel sie an. Sie hatte während Maries erstem Anruf mit einer Freundin telefoniert. Marie berichtete von der Nachricht ihres geschiedenen Mannes.
Frau Wendel überlegte eine Weile, nachdem Marie geendet und euphorisch vermutet hatte, das Rätsel der Tatwaffe gelöst zu haben, die Maxim Wendel vermeintlich nie berührt hatte.
»Leider nein«, sagte Frau Wendel schließlich. »Es stimmt, dass Maxim eine Flasche aus einem Karton gezogen hat. Es waren wohl verschiedene Weinsorten in dem Karton. Deshalb sollte sich jeder Gewinner einen Wein nach seinem Geschmack aussuchen. Uns war das egal. Also zog Maxim irgendeine Flasche aus der Kiste. Aber diese Flasche kann nicht diejenige sein, mit der später Gossmann getötet wurde. Denn diese Flasche wurde im Gartencenter in Jubiläumspapier verpackt. Wir haben sie dann mitgenommen, irgendwann ausgetrunken und entsorgt.«
30
Stephan war gegen Mitternacht eingeschlafen. Er wurde von wirren Träumen verfolgt, die ihn gegen drei Uhr in der Frühe aufschrecken ließen. Er stand schweißgebadet auf, ertastete in seinem Rucksack die kleine Taschenlampe, schlich sich aus dem Zimmer, dann über den Flur an der Küche vorbei zum Aufenthaltsraum. Die Tür war angelehnt. Er drückte sie auf und leuchtete hinein. Es war niemand da. Auf dem Tisch standen noch eine halbvolle Karaffe mit Wein und drei leere benutzte Gläser. Stephan schlich sich zu dem Achterzimmer, das er zunächst mit Trost bezogen hatte. Die Tür war geschlossen. Er horchte an der Tür und hörte von innen ein leises sägendes Schnarchen. Stephan drückte vorsichtig auf die Klinke. Die Tür gab nach. Er lauschte einige Sekunden und zog die Tür wieder leise zu. Stephan wartete noch einen Augenblick, dann wandte er sich um, schlich auf Zehenspitzen wieder zurück und schloss sich, nachdem er die Toilette im Untergeschoss aufgesucht hatte, wieder in seinem Zimmer ein. Jetzt endlich wechselte er seine Kleidung und fand danach in einen deutlich ruhigeren Schlaf.
Es dauerte eine Weile, bis Stephan rund drei Stunden später ein leises Klopfen an seiner Tür hörte. Es erreichte ihn erst im Unterbewusstsein, bohrte sich in ihn wie ein Störgeräusch in einem sofort vergessenen Traum, bevor es ihn in die Realität riss. Draußen schien die frühe Morgensonne goldgelb ins Zimmer. Stephan sprang aus dem Bett, horchte an
Weitere Kostenlose Bücher