Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
einzubinden.«
»Es sind verlockende Angebote«, bestätigte Stephan.
Der Hüttenwirt servierte das Essen. In tiefen und einfachen Tellern dampften die bestellten Rösti.
»Stellen Sie nur die Teller ab, wir verteilen schon«, sagte Böhringer hastig.
Der Hüttenwirt schaute einen Augenblick irritiert. Die spürbare angespannte Ungeduld passte nicht in seine Hütte, passte nicht in die Berge. Er zog sich kommentarlos zurück und die Tür zur Küche hinter sich zu.
»Das sieht wirklich lecker aus«, lobte Trost und schnupperte an seinem Teller. Doch seine Stimme war brüchig.
»Es geht nicht nur um das Angebot, Herr Knobel«, fuhr Traunhof unbeirrt fort. »Es geht um ein Geben und Nehmen, besser um das Geben, um zu nehmen. Do ut des«, betonte er schneidend. »Ein anerkanntes Prinzip.«
»Das ist Ihnen doch bekannt, Herr Knobel?«, vergewisserte sich Böhringer.
»Sie meinen die Aufnahme von der Tochter von Herrn Trost in die Kanzlei?«, fragte Stephan, doch er ahnte, dass Böhringer und Traunhof nicht an Delia dachten.
25
Marie war mit der kleinen Elisa bis Geschäftsschluss ab dem frühen Nachmittag in der Stadt gewesen. Sie hatte die kleine Tochter in einem Café gewickelt und ihr die Flasche gegeben. Elisa war danach in ihrem Wagen eingeschlafen. Der laue Sommerabend lud zum Einkaufsbummel ein. Marie hatte Geschäfte besucht, die sie seit Elisas Geburt nicht mehr betreten hatte. Erstmals fühlte sie, dass in das Leben, das sich durch die Geburt der Tochter verändert hatte, verloren geglaubte Normalität einkehrte. Der Nachmittag in der Stadt war wie ein Ausflug in vergangene Zeiten, als Marie noch Studentin war, Zeit im Überfluss vorhanden schien und kein Tun daran gemessen wurde, ob nicht stattdessen etwas anderes wichtiger oder eiliger zu erledigen sei.
Gegen 19 Uhr waren Marie und Elisa heimgekehrt. Stephan hatte sich noch nicht erneut gemeldet. Sie wusste ihn auf der Hütte sicher aufgehoben. Gegen 20.30 Uhr, als es in der Heimat – und somit viel später als in den Bergen Graubündens – dunkelte, wollte sie zu Bett gehen und bemerkte erst jetzt, dass der Anrufbeantworter mit einem roten Blinken den Eingang einer Nachricht meldete. Marie hatte das kleine rote Signallämpchen nicht gesehen, als sie mit Elisa heimgekehrt war. Das in die Wohnung scheinende abendliche Sonnenlicht hatte etwas geblendet und sie die Meldung nicht wahrnehmen lassen. Überdies war durch die fast ausnahmslose Nutzung des Handys der Festnetzanschluss unbedeutend geworden. Marie drückte auf die Abspieltaste und hörte zunächst die automatische Ansage, die den Zeitpunkt des Anrufes festgehalten hatte: Donnerstag, 26. Juli, 17.36 Uhr. Danach hörte sie ein Krächzen, dann eine sich räuspernde Stimme, die verhalten wirkte und verriet, dass sich der Anrufer nicht sicher war, die richtige Nummer gewählt zu haben.
»Herr Knobel? – Hallo, Herr Knobel! Ich bin es, Maxim Wendel. Ich rufe Sie an, weil ich weiter nachgedacht habe. Sie haben mich bei meinem Besuch hier in der JVA daran erinnert, dass ich Kunde des Gartencenters ›FlorOrbi‹ war. Es ist so: Sarah und ich hatten damals, es war wohl Ende April vor Gossmanns Tod, von dem Gartencenter diesen Werbebrief bekommen. Das Gartencenter lud alle Kunden zum zehnjährigen Bestehen des Unternehmens ein. In dem Brief befand sich auch ein zugeklebtes Los. Als wir es geöffnet hatten, erfuhren wir, dass wir gewonnen hatten, und lasen darin, dass wir uns den Gewinn am kommenden Samstag – ich meine zwischen zehn und zwölf Uhr – im Gartencenter im Dortmunder Westen abholen sollten. Wir sind also dorthin gegangen und wurden von einer Mitarbeiterin zu einem speziellen Gewinnerstand geleitet, an dem sich auch schon zwei oder drei andere Gewinner aufhielten. Dahinter stand der Chef des Centers, der uns beglückwünschte und fragte, ob wir den Baum als Gewinn behalten wollten. Als wir das bejaht hatten, sagte er, dass es noch eine Flasche Wein als zusätzliches Präsent gebe. Er zeigte auf einen geöffneten Karton auf dem Boden und bat mich, eine Flasche meiner Wahl daraus zu ziehen. Das habe ich getan. Ich weiß nicht mehr, was für ein Wein das war. Vielleicht ist das auch unwichtig, aber es fällt mir auch nur deswegen ein, weil es immer wieder um diese Flasche geht, mit der Gossmann getötet worden sein soll und Sie in unserem Gespräch das Gartencenter ins Spiel brachten. – Melden Sie sich doch bitte im Knast oder besuchen Sie mich hier. Ja, Sie sollten mich besuchen.
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