Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
zeigte auf verschiedene Stellen in der Stadt unter ihnen und nickte höflich den Magiern zu, die an ihnen vorübergingen.
Die Jordain bemerkte, daß jeder Magier, dem das Paar begegnete, stehenblieb, um mit der Königin zu sprechen. Eine beträchtliche Anzahl von ihnen blieb noch stehen, nachdem die angemessenen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht worden waren. Cassia wußte nur zu gut, welchen Charme Beatrix spielen lassen konnte, wenn ihr danach war.
Cassia drehte sich auf dem Absatz um, ging rasch zurück in ihr Zimmer und tigerte dort unruhig auf und ab. Offenbar war es Matteo gelungen, Beatrix davon zu überzeugen, daß es außerhalb ihrer Werkstatt auch noch eine Welt gab. Möglicherweise – Mystra behüte! – würde er die Königin auch noch davon überzeugen können, dass sie immer noch eine Frau war!
Dieser Gedanke behagte Cassia nicht. Zugegeben, es war schwierig, eine Schwäche oder eine Fehlleistung bei einer Frau zu Tage zu fördern, die so kalt, brillant, zurückgezogen und geheimnisvoll war wie die Königin. Wer vermochte zu sagen, welch unheilvolle Geheimnisse ans Licht kommen würden, wenn es Matteo gelang, das Eis um Beatrix zu brechen?
Andererseits würde Cassias Position als Oberste Ratsherrin durch Beatrix’ Rückkehr an den Hof gefährdet werden. Cassia war häufiger als jeder andere an der Seite Zalathorms zu sehen, und sie würde sich von dort nicht so schnell verdrängen lassen, nicht einmal von der Königin.
Vielleicht sogar erst recht nicht von der Königin.
Jedenfalls hatte sie einen Fehler gemacht, als sie den jungen Jordain zu Beatrix schickte. Sie zweifelte nicht an ihrer Einschätzung des Jungen. Matteo war impulsiv und leidenschaftlich, und solche Personen neigten dazu, Ärger anzuziehen. War seine offensichtliche Freundschaft mit Keturahs Tochter dafür nicht Beweis genug? Was Cassia nicht berücksichtigt hatte, war die Tatsache, daß überall dort, wo großes Risiko bestand, auch großes Potential zu finden war.
Zum Glück hatte sie andere Mittel und Wege, um Beatrix zu verhexen. Cassia sah zum Bett, auf dem sich eine groteske Gestalt wand und stöhnte, während sie an ihren Fesseln zerrte, dem Tode nah, aber noch immer ein Stück von ihm entfernt.
Ihr »Gast« war der jüngste Fund der Kabale, eine mißgestaltete Kreatur, die ganz offensichtlich ein einem Zentaur ähnlicher Krieger hatte werden sollen, halb Panther, halb Crinti. Das Ergebnis war schreckerregend: ein elfenhafter Körper mit vier verdrehten, katzenhaften Beinen, dazu ein dunkles, wildes Gesicht, das weder Elf noch Panther erkennen ließ, sondern ein Spiegelbild einer finsteren Welt. Der Leib des Geschöpfs war mit einer Mischung aus dunkler Haut, grauen Fellbüscheln und reptilienhaften Schuppen überzogen. Ohne jeden Zweifel war hier das Experiment eines Magiers sehr schief gegangen.
Die Jordaini kannten ein Sprichwort über die Gefahr, zu Liedern zu tanzen, die die Götter geschrieben hatten. Noch nie hatte Cassia einen so eindringlichen Beweis dafür gesehen wie dieses bedauernswerte, sterbende Katzending.
Das größte Verbrechen aber war ihrer Meinung nach, daß man dieser Kreatur überhaupt erst erlaubt hatte, so lange zu leben. Halruaa war ein Land mächtiger Magie, die durch Regeln und Gebräuche sorgfältig im Zaum gehalten wurde. Das war nötig, sonst hätten ehrgeizige Magier das Land binnen kurzer Zeit ins Chaos gestürzt.
Doch Kontrolle hatte ihren Preis. Magische Experimente, die fehlschlugen, und in vielen Fällen auch die jeweiligen Magier wurden rasch beseitigt. Diesen »Crintaur« hätte man töten sollen, noch ehe er den ersten Atemzug gemacht hatte. Und doch war er im Wald der Königin entdeckt worden. Cassias Späher hatten auf ihn geschossen und ihn tödlich verletzt, aber es war keineswegs das erste derartige Geschöpf gewesen, auf das sie gestoßen waren.
Das führte zu einer interessanten Frage. Nur wenige wußten von der Kabale, jener Magier-Geheimgesellschaft, die die Verwendung von Magie überwachten und Mißbrauch ahndeten. Cassia war fast sicher, daß Beatrix irgendwie mit dieser mysteriösen Gruppe in Verbindung stand. Aber arbeitete die Königin gegen die Kabale oder erteilte sie ihr Befehle?
Beide Optionen hatten ihren Reiz. Die meisten Magier fürchteten die geheime Kabale und würden nicht erfreut auf die Neuigkeit reagieren, daß die Königin deren Aktivitäten kontrollierte. Natürlich wußte Zalathorm von der Kabale, aber er hielt sich von den dunkleren Aspekten
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