Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
waren mein Verderben. Ich benahm mich auf eine Weise, die meine gesamte Ausbildung verleugnete. Wie es scheint, haben Gefühle große Macht.«
Er verstummte kurz, dann fügte er an: »Das ist alles neu für mich, und ich weiß nicht, wohin es führt. Ich sollte außer mir sein, aber ich bin es nicht. Ich kann nicht um die Frau trauern, die ich nie kannte. Ich kann nicht den Mann hassen, dem ich nie begegnet bin. Vielleicht wird sich alles ändern. Wenn das der Fall ist, dann weiß ich nicht, was ich tun werde.«
»Sogar da bist du ehrlich«, sagte sie leise, während ihre Augen sein Gesicht absuchten. »Vielleicht ist das nicht immer schlecht.«
Sie verließen wortlos die Hütte und hingen ihren Gedanken nach. Tzigone war hergekommen, weil sie Matteo die Wahrheit hatte sagen wollen: Das war die Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte. Aber wie Matteo selbst gesagt hatte, war nicht abzusehen, wie er reagieren würde, wenn er Emotionen in seinem Leben zuließ. Wahrscheinlich würde er schwören, an dem Mann Rache zu üben, der ihn gezeugt hatte. Das konnte kein gutes Ende nehmen.
Matteo sprach als erster. »Darum haben Jordaini keine Familien, nicht?«
»Magie ist Gift«, sagte Tzigone finster. »Offenbar ist es nicht so leicht, Magie aus einem Menschen herauszuzüchten, und man kann nicht absehen, was das Ergebnis dieser Bemühungen sein wird.«
»Vorsicht ist die Enkelin der Katastrophe«, zitierte Matteo ein altes Sprichwort. »Wenn solche Maßnahmen ergriffen werden, muß etwas entsetzlich schief gelaufen sein.«
»Fehler kommen vor«, pflichtete Tzigone ihm bei. Sie holte tief Luft, um wieder ruhig zu werden. »Ich schätze, das ist die einzig mögliche Erklärung für mein Dasein.«
SIEBZEHNTES KAPITEL
T zigone machte sich auf die Fragen des Jordain gefaßt. Zu ihrer Überraschung bemerkte sie, daß sie bereit war, ihm alles zu erzählen, was sie über sich und ihre Vergangenheit wußte – Geheimnisse, über die sie noch mit niemandem gesprochen hatte. Matteo war immer ehrlich zu ihr gewesen. Diese Ehrlichkeit zog eine Schuld nach sich, und sie beglich ihre Schulden immer.
Aber Matteo reagierte nicht sofort auf ihre düstere Äußerung. Statt dessen zog er eine kleine Schriftrolle hervor und gab sie ihr.
Sie nahm die Rolle und glättete sie. Die Nachricht war kurz und knapp, und als Tzigone sie gelesen hatte, sah sie ihn fassungslos an. »Das liest sich wie ein Todesurteil«, sagte sie in halb scherzhaftem Ton.
»Das war mein Auftrag«, erklärte er.
So sehr sie es auch gewollt hätte, Tzigone konnte nichts dagegen vorbringen. Cassia, die Oberste Ratgeberin König Zalathorms und zugleich eine der mächtigsten Jordaini im Land, hatte die Hilfe aller Jordaini angefordert, um Informationen über den Aufenthaltsort und das Umfeld einer Diebin namens Tzigone zusammenzutragen.
Die junge Frau fühlte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Matteo hatte ihr zur Flucht verholfen und damit gegen eine Anweisung seines Ordens verstoßen. Einen Augenblick war sogar Tzigones sonst so lockere Zunge schwer wie Blei, als ihr die Bedeutung der Enthüllung bewußt wurde.
»Ich dachte, Jordaini schreiben und befördern keine Botschaften«, brachte sie schließlich raus.
Matteos schwaches Lächeln bestätigte, was sie nicht gesagt, aber gedacht hatte. »Es sieht so aus, als habe Cassia in diesem Fall eine Ausnahme gemacht. Ich möchte behaupten, die Jordaini waren nicht die einzigen in der Stadt, die ihre Anweisung erhalten haben. Ohne Zweifel erging sie auch an die Wachen, Herolde und Senatoren.«
»Auf diesem Exemplar befindet sich noch eine persönliche Botschaft«, sagte sie und wies auf ein paar Zeilen am unteren Rand, die in einer anderen Handschrift und mit Smaragdtinte geschrieben waren, die sich nur wenige hauptberufliche Schreiber leisten konnten.
Sie las den Text mit Cassias Stimme laut vor. »Ich gebe dir eine Warnung mit auf den Weg, Matteo, daß diese junge Frau äußerst gefährlich ist. Du bist in ihrer Begleitung gesehen worden, aber in Zukunft mußt du ihr um jeden Preis aus dem Weg gehen. Sie wurde als Kind getestet, und es wurde festgestellt, daß sie großes magisches Talent besitzt. Sie hat diese Macht mißbraucht und eine Vielzahl von Verbrechen begangen. Wenn du willst, komm zu mir, sobald sie gefaßt ist. Du wirst es sofort verstehen, denn die Geheimnisse ihrer Geburt erklären alles. Ein Jordain kann dem anderen nichts befehlen, aber deine Unterstützung in dieser Angelegenheit ist von äußerster
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