Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
darauf vorbereitet, der Elfe zu dienen, die ihr Leben zerstört hatte.
»Wir sind Jordaini«, sagte Andris ruhig. »Ausgesucht wegen unserer Begabungen, geschult, den Magiern Halruaas zu dienen. Kein Magier kann Akhlaurs Sumpf hindern, sich immer weiter auszudehnen. Wir schon.«
Matteo war interessiert. »Du kennst das Geheimnis des Sumpfs?«
»Akhlaur öffnete ein Tor zur Ebene des Wassers. Ein Rinnsal ist verblieben, und der Laraken ernährt sich von der Magie, die von der Elementarebene überläuft. Es ist unsere Aufgabe, uns bis zum Tor vorzukämpfen und Kiva den Weg zu ebnen. Während wir gegen den Laraken kämpfen, wird sie in den Sumpf vordringen und das Tor schließen.«
»Aber das ist ja noch schlimmer als das Kilmaruu-Paradox«, warf Matteo ein. »Wenn das Tor geschlossen wird, wird der Laraken auf das Land losgelassen. Viele Magier werden ihm zum Opfer fallen.«
Tzigone schniefte. »Nun, an Kiva ist offenbar doch mehr dran, als ich immer dachte! Ich war immer der Ansicht, ich sei die einzige mit diesem Traum.«
Andris betrachtete sie interessiert. »Du hast keine Achtung vor Magiern. Eine seltsame Einstellung für einen Jordain-Knaben.«
»Ich bin weder ein Knabe noch ein Jordain«, sagte sie nachdrücklich. »Ich bin randvoll mit Magie. Der Laraken ernährt sich von Magie. Da kann ich mir nur einen Grund denken, warum Kiva mich hierhaben will: als Köder.«
Das Gesicht des Jordain hellte sich auf. »Du bist die junge Frau, von der Kiva sprach! Die den Laraken rufen kann!«
Tzigone kniff die Augen zusammen. »Wie kommst du auf die Idee, daß es diesen Laraken interessiert, wenn ich ihn rufe?«
»Du hast die Begabung. Kiva sagt, daß es so ist – ein Erbe deiner Mutter, der Magierin Keturah.«
Tzigone wurde kreidebleich. »Keturah«, wiederholte sie den Namen, der plötzlich vertraut klang. »Natürlich. Alle Kreaturen kamen, wenn Mutter rief.«
»Du besitzt Magie und zugleich Widerstandskraft dagegen. Der Laraken wird sich von deiner Stimme angezogen fühlen. Du wirst ihn von dem magischen Tor fortlocken, dann kann Kiva den Spalt für immer verschließen. Aber wenn Kiva Recht hat, dann wird der Laraken die Magie nicht antasten können, die in dir steckt.«
»Und wenn Kiva sich irrt?« fragte Tzigone und imitierte den ehrerbietigen Tonfall des Jordain.
»Ich würde sie darum nicht bitten«, sagte Matteo leise. »Sie mag das Talent ihrer Mutter haben, aber ich vermute, sie hat auch etwas Talent als Erkenntniszauberin. Sie blickt nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Ich habe es erlebt. Diese Gabe ist in ihr neu erwacht. Ich weiß nicht, ob der Laraken sie wahrnehmen kann oder nicht.«
Andris überlegte. »Wenn das stimmt, wäre der Kampf nicht nur für sie gefährlich, sondern auch für uns. Nur wer ganz frei von Magie ist, kann sich dem Laraken entziehen.«
»Das Risiko ist zu groß«, entschied Matteo. »Tzigone, du mußt gehen, sofort.«
Seine Worte weckten Erinnerungen, die erst durch die Erwähnung des Namens ihrer Mutter wieder in greifbare Nähe gerückt waren.
Lauf, Kind, hatte sie gesagt. Ihre schöne Stimme war vor Angst schrill geworden. Bleib nie stehen! Nie!
Die Worte hallten in Tzigones Geist und legten sich eisig um ihr Herz, wie sie es vor fast zwanzig Jahren schon einmal getan hatten. Sie reagierte instinktiv, wie das Kind, das sie gewesen war, drehte sich auf der Stelle um und rannte los.
Am nächsten großen Baum blieb sie stehen und suchte Zuflucht in seinen tröstenden, belaubten Armen. Sie ballte die Fäuste und preßte sie auf ihre Augen, um mit Gewalt die Dunkelheit zu schaffen, die sie in die Erinnerungstrance führen sollte.
Tzigone glitt zurück, immer weiter zurück, bis sie wieder das kleine Mädchen war, das zusammen mit seiner Mutter floh. Sie befanden sich im Palast der Rätsel, dem magischen Labyrinth, das einen weitläufigen Hof erfüllte. Schritte donnerten durch die Villa auf sie zu.
Tzigone wandte sich um, wollte zurück zum wahnsinnigen Hof. Statt etwas zu sagen und so entdeckt zu werden, zog sie am Rock ihrer Mutter, um ihr ihre Absicht klarzumachen. Doch diese löste die kleinen Finger.
»Geh«, sagte sie. »Meine Magie ist fast verbraucht. Das Amulett ist zerbrochen. Sie werden mich bald finden, ob ich fortlaufe oder hierbleibe.«
»Ich lasse dich nicht allein«, sagte Tzigone.
»Du mußt. Sie suchen dich.«
Sie nickte. Irgendwie hatte sie das schon immer gewußt. Aber etwas zu wissen war nicht das gleiche wie etwas zu tun, und
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