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Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin

Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin

Titel: Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Cunningham
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sie brachte es nicht übers Herz fortzugehen.
    Eine Gestalt tauchte in der offenstehenden Tür auf, obwohl die Schritte noch viel weiter entfernt zu sein schienen. Tzigone starrte voller Ehrfurcht und Angst das hübscheste Wesen an, das sie je zu Gesicht bekommen hatte.
    In der Türöffnung stand eine Elfe von seltener, exotischer Schönheit. Ihre Haut hatte den kupfernen Farbton eines Sonnenuntergangs in der Wüste, und ihr kunstvoll gelocktes, geflochtenes Haar war vom dunklen Grün des Mooses in einem Dschungel. Gold, Smaragde und Malachite glitzerten an ihrem Hals und an ihren Händen. Über ihrem gelben Seidenkleid trug sie einen dunkelgrünen Überwurf, der mit Goldfäden durchwirkt war. Ihre geschminkten Lippen deuteten ein Lächeln an, das sich aber nicht in ihren Augen widerspiegelte, die golden und unerbittlich waren wie die einer jagenden Katze. Sie war schön und schrecklich zugleich.
    »Sei gegrüßt, Keturah«, sagte die Elfe zur Mutter des Kindes. »Du hast uns ganz schön durch die Gegend gehetzt. Und das ist dein verfluchter kleiner Bastard.«
    Ihre Stimme war angenehm klar wie eine Tempelglocke, doch Tzigone ließ sich nicht täuschen. »Bastard« war die übelste Beschimpfung, die ein Halruaaner kannte. Tzigone war bewußt, daß es nicht nur eine Beleidigung, sondern auch wahr war.
    Das Crescendo aus Schritten kam gleich hinter der Tür zum Stillstand, die Elfe sah über die Schulter zurück. »Ergreift sie«, sagte sie kühl und zufrieden.
    Doch Keturah machte einen Satz nach vorn und legte ihre Hände zu beiden Seiten an den Türrahmen. Sie warf ihrer Tochter einen verzweifelten Blick zu. »Lauf«, flehte Keturah. »Bleib nie stehen! Nie!«
    Tzigone zögerte. Ein grüner Lichtschein begann um ihre Mutter zu kreisen und legte sich um sie wie Ranken, die sie ersticken wollten. Keturah taumelte und ging in die Knie, während sie die Hände voller Panik an den Hals legte.
    Entsetzen drängte das Kind zur Flucht, aber Schuldgefühle hielten es zurück. Sie hatte ihre Mutter angebettelt, ein böses Geschöpf zu beschwören. Wurde so ihr Wunsch Wirklichkeit?
    Die Elfe drängte sich an der zusammenbrechenden Magierin vorbei und griff nach ihrer Beute. Doch das Mädchen ließ sich fallen, und durch die plötzliche Gewichtsverlagerung glitt sie wie ein Fisch durch die schlanken kupferfarbenen Hände. Sie rollte sich zur Seite und rannte auf den Hof.
    Die Stimme ihrer Mutter folgte ihr, drängte zur Flucht. Sie lief zum zersplitterten Wasserfall und tauchte, ohne zu wissen, ob sie sich den Kopf an den Kacheln stoßen oder in die Scherben geraten würde, die Selune durch den Nachthimmel folgten. Doch sie fiel sanft durch den Wasserfall und landete im Teich. Ihre wild rudernden Hände entdeckten eine Tunnelöffnung in der gekachelten Wand. Die letzten Worte ihrer Mutter folgten ihr ins Wasser und jagten ihr nach, während sie schwamm.
    »Vergiß mich!«
    Tzigone erwachte schlagartig aus ihrer Erinnerungstrance, rang nach Luft und schluchzte. Kiva war es gewesen, die ihre Mutter mitgenommen hatte! Sie hatte sie schon damals gejagt! Sie schrie laut und ließ Verlust, Furcht und Zorn freien Lauf, die sich in einem ganzen Leben angesammelt hatten.
    »Ich werde dich nicht vergessen«, sagte sie, während sie die Tränen wegwischte. »Ich habe dich nie vergessen.«
    Und doch hatte sie sie vergessen. Plötzlich verstand sie auch den Grund dafür. Die letzten Worte waren nicht einfach nur ein Lebewohl gewesen, sondern ein Zauber. Offenbar war Tzigone nicht ganz gegen Magie unempfindlich. Wenngleich es vielleicht niemand sonst schaffte, hatte zumindest ihre Mutter einen Weg durch ihre Immunität gefunden.
    Doch der Zauber war gebrochen, und die Erinnerungen kehrten zurück. Lange saß Tzigone im Baum und ließ die Bilder und Klänge auf sich einstürmen, um sie alle zu genießen. Es hatte schlechte Zeiten gegeben, aber auch die gehörten zu ihrer Vergangenheit. Die längste Zeit befaßte sie sich mit der Erinnerung, die ihr am meisten bedeutete – wenn sie hörte, wie Keturah in den Wind der Nacht sang und dann wartete, welche Geschöpfe dem Ruf der wunderschönen Magierin folgten.
    Nach einer Weile begann Tzigone, eine Melodie zu singen, an die sie sich schwach erinnerte, zuerst zögerlich, dann aber mit immer mehr Selbstvertrauen. Der Klang ihrer Stimme verblüffte sie. Sie war sonor und echt, voller Magie, aber von ganz eigener Schönheit. Die Stimme ihrer Mutter entstieg ihrer Kehle, ungeschliffen, aber doch

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